In der Regel lernen normal entwickelte Kinder bis zum Ende des 4. Lebensjahres, ihre Harnblase zu kontrollieren. Als Enuresis wird dann das unwillkürliche Einnässen nach dem 3. bzw. 4. Lebensjahr bezeichnet, wenn eine körperliche Ursache nicht festgestellt werden kann. Es können verschiedene Formen der Enuresis unterschieden werden:
Bei der primären Enuresis ist das Kind noch nie über einen längeren Zeitraum „trocken“ gewesen, d. h. eine Kontrolle über die Harnblase hat noch nie bestanden. Hierbei wird von einer konstitutionellen Entwicklungsstörung des Kindes ausgegangen. Es kann etwa die Innervation der Harnblase über das vegetative Nervensystem noch nicht vollständig ausgebildet sein, so dass die Rückmeldung des Füllungszustandes zum ZNS fehlerhaft ist. Die primäre Enuresis tritt familiär gehäuft auf und deutet auf einen Gendefekt hin.
Bei der sekundären Enuresis hat das Kind schon seit mindestens 6 Monaten gelernt gehabt, die Blase zu beherrschen und nässt aktuell wieder ein. Hierbei werden in der Regel psychische Ursachen vermutet. Das erneute Einnässen kann als Warnsignal für Ereignisse gedeutet werden, die das Kind nicht verarbeitet hat, wie z. B. die Geburt eines Geschwisters oder häusliche Gewalt.
Weiterhin kann zwischen der Enuresis diurna, dem Einnässen tagsüber, und der Enuresis nocturna, dem nächtlichen Einnässen, unterschieden werden.
Typisch für die Enuresis nocturna ist das völlig durchnässte Bett beim Aufwachen. Die Eltern berichten häufig, dass das Kind in der Nacht tief schläft und nur schwer erweckbar ist. Ebenso typisch ist das Fehlen jeglicher Tagessymptomatik wie Pollakisuris (= häufiges Wasserlassen) imperativer Harndrang oder Miktionsstörungen.
Zur Diagnostik sollte der Urogenitaltrakt untersucht werden, um organische Ursachen auszuschließen. Ein Miktionsprotokoll mit den jeweiligen Zeiten und Urinmengen über mehrere Tage sowie die jeweiligen Trinkmengen sollte angefertigt werden. Insbesondere die nächtliche Urinmenge ist zur Beurteilung des Schweregrades wichtig.
Zur Behandlung kann eine Verhaltenstherapie mit oder ohne Weckapparaten („Klingelhosen“), Übungen zur Blasenkontrolle oder eine medikamentöse Therapie mit Desmopressin im Rahmen eines medizinischen Gesamtkonzepts durchgeführt werden.
Desmopressin ist ein wesentlich stärker und länger wirkendes Strukturanalogon vom körpereigenen Hypophysenhinterlappen-Hormon Adiuretin (= antidiuretisches Hormon = ADH = Vasopressin) und hat eine antidiuretische (= wasser-retinierende) Wirkung. Der Behandlungszeitraum erstreckt sich über 3 Monate. Danach sollte die Behandlung neu beurteilt werden.