Beim Diabetes mellitus handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung, welche mit einer gestörten Glucosehomöstase einhergeht und deren Leitsymptom die Hyperglykämie ist. Ursächlich liegt beim Typ-II-Diabetes, welcher früher als Altersdiabetes bezeichnet wurde, ein relativer Insulinmangel vor. Dieser wird durch eine fortschreitende Insulinresistenz und/oder einen Sekretionsdefekt der Insulin-produzierenden Beta-Zellen der Langerhans´schen Inseln bedingt. Somit ist ein Patient, welcher an dieser Form des Diabetes mellitus erkrankt ist, primär nicht insulinabhängig (NIDDM= non insulin dependent diabetes mellitus). Im Gegensatz zum Typ-I-Diabetes kommt es nicht zur Ausbildung eines ketoazidotischen Komas, da die vorhandene Insulinmenge ausreichend ist, eine Grundaufnahme an Glucose für die Körperzellen aufrecht zu erhalten.
Allerdings kommt es durch die erhöhte Glucosekonzentration zur Glucosurie, also zur Ausscheidung von Glucose über die Niere. Dieses Phänomen ist namensgebend für die Krankheit; Diabetes mellitus heißt übersetzt "honigsüßer Ausfluss". Zu der Ausscheidung von Glucose über die Niere kommt es, da der Tubulusapparat der Glomeruli Glucose aus dem Harn nur bis zu einer Glucosekonzentration von ca. 180 mg/dl zurückgewinnen und diese dem Blut wieder zuführen kann. Bei höheren Glucosekonzentrationen ist die Transportkapazität der entsprechenden Transporter erschöpft, sodass Glucose im Urin verbleit und damit ausgeschieden wird. Da die so ausgeschiedene Glucose als osmotisches Diuretikum wirkt, erklärt sich die auftretende Polyurie (häufiges Wasserlassen) und Polydipsie (stark gesteigertes Durstgefühl), welche ebenfalls charakteristisch für eine Hyperglykämie sind. Dieses kann zu einem verstärkten Ausschwemmen von Wasser führen, welches zum Anstieg der Blutosmolarität und damit zum sogenannten hyperosmolaren Koma führen kann.
Ein Diabetes mellitus gilt ungeachtet seiner Ätiologie dann als diagnostiziert, wenn:
- ein HbA1c Wert > 6,5%,
- eine Nüchternglucosekonzentration > 126 mg/dl oder Gelegenheitszucker > 200 mg/dl
- oder 2 Stunden nach OGGT eine Blutglucosekonzentration von > 200 mg/dl vorliegt.
Behandlung
Da die Erkrankung an Typ-II-Diabetes häufig kausal mit einer Adipositas (Fettleibigkeit) und Bewegungsarmut verknüpft ist, stellt eine sehr probate Therapieoption zu Beginn der Krankheit eine Lifestyle-Intervention dar. Leitliniengemäß soll zunächst eine nicht-medikamentöse Basistherapie durchgeführt werden. So kann ein Diabetes mellitus durch Ernährungsumstellung und sportliche Aktivität rückgängig oder zumindest im Ausmaß reduziert werden. Dieses wirkt sich auch positiv auf weitere Stoffwechselparameter aus, welche beim Typ-II-Diabetes häufig gekoppelt mit der Glucosehomöostase gestört sind. Hierbei wären die Hyperlipidämie und die Hyperurikämie zu nennen. Ist durch die nicht-medikamentöse Basistherapie keine ausreichende Einstellung des Blutzuckers zu erzielen, können in Abhängigkeit des Risikos für kardiale und/oder renale Ereignisse stufenweise verschiedene medikamentöse Maßnahmen ergriffen werden, wobei die Therapieziele zusammen mit dem Patienten definiert und alle 3-6 Monate erneut beurteilt werden sollten.
Diese partizipative Entscheidungsfindung dient dazu, dass der Patient seine Therapie besser annimmt, da er gleichberechtigt mit dem Arzt die Entscheidung darüber fällt, wie therapiert wird. Der Patient äußert seine Lebens- und Therapieziele und findet in Zusammenarbeit mit dem Arzt, der ihm die notwendigen Informationen liefert, um eine qualifizierte Entscheidung zu fällen, Strategien, um diese Ziele zu erreichen. Bei nicht-erreichen sollte evaluiert werden, was auf der Seite des Arztes oder des Patienten verbessert werden kann, um die Ziele zu erreichen oder neue Ziele formuliert werden.
Ohne weitere Risikofaktoren kommt nach der nicht-medikamentösen Behandlung zunächst Metformin zum Einsatz und sollte dies nicht innerhalb von 3-6 Monaten zum Behandlungsziel führen, kann ein zweites Medikament entsprechend der priorisierten Endpunkte ausgewählt werden. Wenn das Therapieziel nach weiteren 3-6 Monaten nicht erreicht werden konnte kann die Therapie intensiviert werden oder ein weiteres/alternatives Medikament ausgewählt werden. Für Patienten mit einem hohen Risiko für renale oder kardiovaskuläre Erkrankungen wird mit einer Kombinationstherapie aus Metformin plus SGLT2-Hemmer oder GLP-1-RA begonnen. Sulfonylharnstoffe und DPP-4-Hemmer können als zweite oder dritte Eskalationsstufe zusammen mit Metformin gegeben werden.
Alphaglucosidase-Hemmer, Glinide und Glitazone sollten seltenen Sondersituationen vorbehalten bleiben.
Wenn die Entscheidung zur Intensivierung der Therapie getroffen wird, sollte unter Fortführung der nicht-medikamentösen Basistherapie Metformin mit einem Basalinsulin gegeben werden. Bei Patienten die schon zuvor aufgrund ihres kardiovaskulären und/oder renalen Risikos SGLT2-Hemmer bzw. GLP-1-RA bekommen haben, sollte das Basalinsulin dazu kombiniert gegeben werden. Sollte die Therapie einer weiteren Eskalation bedürfen, kann zusätzlich ein kurzwirksames Insulin gegeben werden.
Patienten mit starker Niereninsuffizienz (eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2), bei denen Metformin kontraindiziert ist, können nach Ausschöpfung der nicht-medikamentösen Maßnahmen initial mit Insulin behandelt werden. Außerdem können DPP4-Hemmer, Glinide oder GLP-1-RA verwendet werden.
Eine adäquate frühzeitige antidiabetische Therapie ist sinnvoll, da somit das Risiko an Spätkomplikationen des Diabetes in Form von Mikroangiopathie (Retinopathie, Neuro- und Nephropathie) und Makroangiopathie (Herzinfarkt und Schlaganfall) zu erkranken reduziert wird.
Behandlungsziele
Ziel der Behandlung ist es, den Glucosespiegel auf normalem Niveau zu halten. Ein wichtiger Parameter bei der Therapiekontrolle ist der HbA1c-Wert. Er bezeichnet eine Form des roten Blutfarbstoffes, an den Glucose dauerhaft gebunden ist, und spiegelt die mittlere Blutzuckerkonzentration eines Diabetikers über die letzten 6-8 Wochen wider. Je höher dieser Wert ist, desto stärker nimmt das Risiko von Spätschäden zu. Wünschenswert wäre natürlich das Erreichen eines normoglykämischen HbA1c-Wertes (ca. 5 %), jedoch lässt sich dieses nicht immer ohne Probleme erreichen.
Als Zielbereich bei Typ-II-Diabetes wurde früher ein HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 7,5 angepeilt, was noch immer wünschenswert wäre, aber heutzutage werden die Therapieziele mit dem Patienten zusammen definiert und je nach Alter und Vorerkrankungen kann es dadurch auch erforderlich sein beim Erreichen von Zielwerten Abstriche zu machen, um die Therapie nicht gänzlich zu gefährden. Ein Wert < 6,5 sollte nur angestrebt werden, wenn dieser durch diätetische Maßnahmen oder pharmakologisch ohne schwerwiegende Nebenwirkungen erreicht werden kann.
Patienten, die älter als 70 Jahre sind, werden entsprechend ihres Gesundheitsstatus auf einen HbA1c-Wert eingestellt. So gilt für Patienten ohne schwerwiegende Komorbiditäten, wie bei jungen Patienten, ein Zielwert von 6,5 % bis 7,5 %, bei Patienten mit Einschränkungen ein Zielwert < 8 % und bei Patienten mit schwerwiegenden Komorbiditäten (z. B. mäßige bis schwere Niereninsuffizienz) ist die Einstellung eines Zielwertes dahingehend sekundär, als dass schwerwiegende Hypo- sowie Hyperglykämien vermieden werden sollen. Zur Einstellung des HbA1c-Zielkorridors wurde ein Therapie Algorithmus festgelegt, nach dem die Behandlung alle 3-6 Monate überprüft werden sollte. Für die Gespräche mit den Patienten stehen Patientenblätter in allgemeinverständlicher Sprache zur Verfügung.
Beeinflussung des HbA1c-Wertes
Sowohl das Alter eines Patienten als auch eine eingeschränkte Nierenfunktion begrenzen die Aussagekraft des HbA1c-Wertes. Falsch hohe Werte können durch Eisenmangel-, Infekt- oder Tumoranämie, den Zustand nach Organtransplantationen, Splenektomie, aplastische Anämie, terminale Niereninsuffizienz, Hämoglobinopathien und verschiedene Pharmaka hervorgerufen werden. Aber auch falsch niedrige Werte können zum Beispiel durch Leistungssport, höheren Erythrozyten-Turnover, Aufenthalt in großen Höhen, einen Folsäuremangel (z. B. im Rahmen einer Schwangerschaft), hämolytische Anämie, Blutverlust oder nach Bluttransfusionen auftreten. Diese Limitationen sind bei der Bewertung des HbA1c-Wertes zu berücksichtigen.
Kardiovaskuläre Risikofaktoren
Generell stellen einzelne geringgradige Grenzwertüberschreitungen noch kein erhöhtes Risiko dar, daher ist eine umfassende Beurteilung der Risikofaktoren unumgänglich. Risikofaktoren, die nicht beeinflusst werden können, stellen das Geschlecht (männlich > weiblich), das Lebensalter, die familiäre Disposition und die Dauer der Diabeteserkrankung dar. Beeinflussbare Faktoren sind beispielsweise der Lebensstil, Raucherstatus sowie Adipositas. Medikamentös einstellbare Risikofaktoren sind Hypertonie, Dyslipidämie und Albuminurie. Außerdem gehören eine Niereninsuffizienz, eine starke Stoffwechselinstabilität und schwere Hypoglykämien sowie eine linksventrikuläre Hypertrophie und subklinische Arteriosklerose bzw. kardiovaskuläre Erkrankung zu den Risikofaktoren.