Zur antiinfektiven Therapie können solche Substanzen herangezogen werden, die eine Toxizität gegen den pathologischen Mikroorganismus, nicht jedoch gegen den zu behandelnden Patienten besitzen. Dieses Prinzip der selektiven Toxizität ist bei der Stoffgruppe der β-Lactame, die unter anderem Penicilline und Cephalosporine umfasst, dahingehend verwirklicht, als dass in den Auf- und Umbau der bakteriellen Zellwand eingegriffen wird -einer Zielstruktur, die beim Menschen nicht anzutreffen ist. Dies erklärt die gute Verträglichkeit und geringe Toxizität dieser Stoffgruppe.
Die bakterielle Zellwand besteht aus Polysaccharidsträngen (Aminozuckerketten aus N-Acetylmuraminsäure und N-Acetylglucosamin), die über Oligopeptide miteinander verknüpft werden und die somit den Zusammenhalt der Zellwand gewährleisten und den hyperosmotischen Zellinhalt vor dem Austreten bewahren. Ein entscheidender Schritt in der Biosynthese der Zellwand ist die Quervernetzung der Oligopeptide unter Zuhilfenahme des Enzyms Transpeptidase, mit dem zunächst das Peptid, das endständig die Aminosäuren D-Ala-D-Ala trägt, unter Abspaltung eines D-Alanins reagiert. Anschließend erfolgen die Übertragung und Quervernetzung der Peptidkette (Transpeptidierung).
β-Lactame weisen, sofern der β-Lactamring noch geschlossen ist, eine starke strukturelle Ähnlichkeit zum D-Ala-D-Ala-Peptid auf. Dies befähigt sie, mit der Transpeptidase zu reagieren und diese irreversibel zu blockieren. Dies kann auch mit Endopeptidasen und Carboxypeptidasen geschehen, so dass man all jene Enzyme, die von β-Lactamen inaktiviert werden, als penicillinbindende Proteine bezeichnet (PBP); β-Lactame selbst werden als Suizid-Substrate dieser Enzyme betrachtet. Nur sich teilende Bakterien bauen ihre Zellwand so um, dass β-Lactame wirksam werden. β-Lactame sind dann bakterizid wirksam. Die Zellmembran kann dem osmotischen Druck des Zellinnern nicht mehr standhalten, wenn die Zellwandstruktur beeinträchtigt wurde: es kommt zur Zelllyse. Dabei muss für eine ausreichende Wirksamkeit der Wirkstoffspiegel des β-Lactams über dem gesamten Zeitraum über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) liegen.
Das Wirkspektrum von Benzylpenicillin (Penicillin G) umfasst grampositive Streptokokken und Pneumokokken, gramnegative Kokken wie z. B. Neisserien (Meningokokken und Gonokokken) sowie gramnegative Spirochäten wie Treponema pallidum und Borreelia burgdorferi. Zu den von Natur aus resistenten Keinem gehören vor allem gramnegative Stäbchen wie z. B. E.coli, aber auch andere Bakterien-Arten wie z. B. Enterococcus faecium, Legionellen, Moraxella catarrhalis, Pseudomonas, Chlamydien und Mykoplasmen.
Mikroorganismen können Resistenzen entwickeln, um sich der Bakterizidie des β-Lactams zu entziehen. Folgende Mechanismen treten auf:
Produktion von b-Lactamasen: Es handelt sich um Enzyme, die den β-Lactamring des Antiinfektivums spalten können, so dass die biologische Aktivität verloren geht. Weiterhin können manche β-Lactamasen auch inaktivierte PBP wieder reaktivieren. Grampositive Keime wie z. B. Staphylokokken sezernieren permanent β-Lactamasen in ihre Umgebung, um sich vor Penicillinen und Cephalosporinen zu schützen; bei gramnegativen Keimen kann die Produktion teilweise konstitutiv, teilweise aber auch induziert durch β-Lactame erfolgen, wobei sich die β-Lactamasen im periplasmatischen Raum aufhalten und auf diese Weise einen "Schutzwall" ausbilden. Durch Gabe von β-Lactamase-stabilen Penicillinen bzw. Cephalosporinen oder von β-Lactamase-Inhibitoren (Clavulansäure) kann die Resistenz umgangen werden.
β-Lactamasen werden einerseits anhand von homologen Aminosäuresequenzen in die Molekülklassen A, B, C und D eingeteilt, wobei die Klassen A, C und D Serinproteasen und die Klasse B Metalloproteasen sind. Andererseits gibt es noch die Einteilung nach der funktionellen Art:
- Gruppe 1: Cephalosporinasen der Molekülklasse C, die nicht durch Claculansäure inhibierbar sind
- Gruppe 2: Penicillinasen und Cephalosporinasen der Molekülklasse A und D, die durch Clavulansäure gespalten werden
- Gruppe 3: Metalloproteasen der Molekülklasse B, die nicht durch Clavulansäure ihibierbar sind
- Gruppe 4: Penicillinasen, die keine Molekulklassen ugeordnet werden können und nicht durch Clavulansäure inhibierbar sind.
Seit den 80er Jahren gibt es besonders bei gramnegativen Bakterien wie z. B. Escherichia coli oder Klebsiellen auch sog. Extended-Spectrum-β-Laktamasen (ESBL), die auch Cephalosporine mit einer Oxyimino-Seitenkette spalten können. ESBL verursachen damit auch eine Resistenz gegen Cefotaxim, Ceftriaxon und Ceftazidim sowie das Monobactam Aztreonam. Hier können derzeit nur noch Carbapeneme eingesetzt werden.
Modifikation des Targets: Bei Pneumokokken und einigen anderen Streptokokken können nach einer Mutation die PBPs so verändert sein, dass β-Lactam-Antibiotika wie z. B. Benzylpenicillin keine ausreichend hohe Affinität mehr gegenüber den PBPs hat. Bei Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) wird ein zusätzliches PBP mit verringerter Affinität gegenüber Benzylpenicillin gebildet.
Verminderte Penetrierbarkeit der äußeren Zellmembran für b-Lactame: Vorhandene Effluxpumpen können z. B. Benzylpenicillin aktiv wieder aus der Bakterienzelle pumpen.
Neben dem nicht oral verfügbaren Benzylpenicillin gibt es oral verfügbare, aber nicht β-Lactamase-stabile Penicilline (Phenoxymethylpenicillin), β-Lactamase-feste Penicilline (Oxacillin), Aminopenicilline mit erweitertem Wirkspektrum (Amoxicillin), nicht oral verfügbare Cephalosprine (Cefazolin), Oralcephalosporine (Cefaclor) und β-Lactamase-feste Oralcephalosporine (Cefuroximaxetil, Cefixim, Cefpodoxim). Zwischen diesen β-Lactamen bestehlt eine partielle oder vollständige Kreuzresistenz.
Benzylpenicillin ist nicht säurestabil und daher nur parenteral zur i.v.- oder i.m.-Injektion anwendbar. Eine intrathekale (= in den Liquorraum appliziert) Gabe ist in Ausnahmefällen möglich. Es ist zu etwa 50 % an Plasmaproteine gebunden. Die Gewebegängigkeit ist gut, jedoch nicht in Muskulatur, Knochen, Nervengewebe und Gehirn. Die Liqourgängigkeit ist gering, bei Entzündung der Hirnhäute hingegen deutlich erhöht bis zu 50 % der Serumspiegel, was deren Einsatz bei durch Penicillin-sensible Keime verursachter Meningitis erklärt. Benzylpenicillin ist plazentagängig. Auch im Fruchtwasser können hohe Konzentrationen nachgewiesen werden. Die Serumwerte im fetalen Kreislauf erreichen daher die mütterlichen Werte. Ein teratogenes Potential konnte nicht nachgewiesen werden. Der Übergang in die Muttermilch liegt zwischen 2 und 15 % der Serumkonzentration.
Benzylpenicillin wird fast ausnahmslos über die Nieren ausgeschieden. Daraus ergeben sich Dosisanpassungen bzw. Intervallanpassungen bei einer bestehenden Niereninsuffizienz. 90 % gelangen durch tubuläre Sekretion über einen Säure-Carrier (cave Wechselwirkungen), nur 10 % durch glomeruläre Filtration in den Tubulusapparat. Die Plasmahalbwertszeit beträgt bei nierengesunden Erwachsenen etwa 30-40 Minuten. Sie steigt im Alter auf etwa 1,5 Stunden. Bei Kindern liegt sie bei 2 Stunden, bei Neugeborenen bei 3 Stunden.