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Allopurinol

      

Wirkmechanismus

Xanthinoxidase-Hemmer: Verminderung der Harnsäurebildung (Urikostatikum)

Anwendung

Zur Behandlung aller Formen der Hyperurikämie

Eine Hyperurikämie bezeichnet eine Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut über 6,5 mg/dl (387 µmol/l). Der Grenzwert ergibt sich aus der physikalischen Löslichkeit von Natriumurat bei 37 Grad Celsius und pH 7,4 (= physiologische Bedingungen im Körper). Sie muss nicht mit klinischen Symptomen einhergehen. Die klinische Manifestation einer Hyperurikämie ist die Gicht (Arthritis urica, im Volksmund „Zipperlein“). Sie ist eine Erkrankung des Purin-Stoffwechsels. Purine wie Adenin und Guanin spielen eine wichtige Rolle als DNA-Bausteine. Über deren Abbauprodukt Xanthin entsteht durch die Xanthinoxidase Harnsäure, eine harnpflichtige Substanz.
Eine Hyperurikämie findet sich sehr häufig in der Bevölkerung. Etwa 5 % der erwachsenen Männer haben erhöhte Harnsäurewerte. Frauen sind deutlich seltener betroffen. Bei ihnen wirken wahrscheinlich die Estrogene einer Hyperurikämie entgegen. Daher sind ca. 80 % der Gichtpatienten Männer. Eine manifeste Gicht tritt meist zwischen dem 40. Und 60. Lebensjahr auf. Assoziiert ist sie häufig mit dem metabolischen Syndrom, bei dem Übergewicht, Hypertonie, schlechte Blutfettwerte und Diabetes gemeinsam vorliegen. Im Grunde können drei Ursachen für erhöhte Harnsäurewerte in Frage kommen:
  • Die Nieren scheiden zu wenig Harnsäure aus
  • Der Körper bildet zu viel Harnsäure
  • Der Patient nimmt zu viel Purine mit der Nahrung auf

Häufig wird dabei eine Einteilung in die primäre und sekundäre Hyperurikämie vorgenommen. Bei der primären Form liegt eine angeborene Störung des Purinstoffwechsels vor. Hierbei handelt es sich um Enzymdefekte wie z. B. das Lesch-Nyhan-Syndrom, bei dem ein Mangel an Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HGPRT) vorliegt, oder um Defekte, bei denen es zu einer vermehrten Aktivität der Xanthinoxidase oder der Amidophosphoribosyltransferase (= ATase oder Glutaminphosphoribosyl-Amidotransferase) kommt. Primäre Hyperurikämien sind sehr selten. Bei der sekundären Hyperurikämie sind die Ursachen durch andere Erkrankungen oder durch eine medikamentöse Therapie begründet. Zu einer gesteigerten Harnsäurebildung aufgrund gesteigerter Purinfreisetzung kommt es z. B. bei einer Polycythaemia vera (eine myeloproliferative Erkrankung, bei der alle drei Blutzellreihen im Blut vermehrt sind), bei Leukämien oder im Rahmen einer Tumorbehandlung mit Zytostatika. Zu einer verminderten renalen Harnsäureausscheidung kommt es z. B. bei Niereninsuffizienz, Alkoholismus, Ketoazidose, bei der durch eine pH-Absenkung im Blut das Löslichkeitsprodukt von Harnsäure bereits bei niedrigeren Werten erreicht ist und somit Harnsäurekristalle ausfallen können, oder einer Therapie mit Diuretika (Schleifendiuretika, Thiazide).
Im Hinblick auf die Symptomatik bei Hyperurikämie und Gicht hat sich eine klinische Einteilung bewährt:
  1. Asymptomatische Gewebeablagerungen von Urat (Salze der Harnsäure)
  2. Akuter Gichtanfall
  3. Interkritische Phasen (zwischen zwei Gichtanfällen ggf. mit zunehmenden Uratablagerungen im Gewebe
  4. Chronische Gicht

Gewebeablagerungen von Urat nennt man Tophi. Sie kommen häufig in schlecht durchbluteten Geweben wie z. B. Weichteil- und Knorpelgewebe vor. Äußerlich sichtbar sind sie, wenn sie sich in der Subcutis (Unterhaut, z. B. an der Ohrmuschel), in Sehnenscheiden oder Schleimbeuteln ablagern. Diese Gewebeablagerungen können zwar zunächst asymptomatisch bleiben, jedoch schädigen sie zum einen auf längere Sicht das Gewebe mit entsprechenden Komplikationen (siehe unten), zum anderen ist jederzeit eine Exacerbation (= akute Verschlechterung) zu einem akuten Gichtanfall möglich.
Der Gichtanfall ist die akut schmerzhafte Manifestation der Gicht. Es handelt sich um eine rasch einsetzende Entzündung meist nur eines Gelenks (Monoarthritis in 90 % der Fälle) ohne ein vorangegangenes Trauma, die oft innerhalb weniger Stunden eine maximale entzündliche Aktivität entwickelt. Die Entzündung ist mit der Bildung von Harnsäurekristallen im Gelenk oder gelenknahen Geweben (wie z. B. Schleimbeutel) assoziiert. Es kommt zu den klassischen Entzündungszeichen mit starken Schmerzen (dolor) -auch bei Berührung-, Überwärmung (calor), Schwellung (tumor) und Rötung (rubor). Auch die Funktion ist stark beeinträchtigt.
In den Phasen zwischen akuten Gichtanfällen setzen sich die Uratablagerungen im Gewebe fort und es können sich Komplikationen der nun sog. „chronischen Gicht“ einstellen.
Besonders gefürchtet ist die Urat-Nephropathie. Ausfallende Uratkristalle in der Niere zerstören das Nierengewebe, es entwickelt sich eine chronische Nephritis. Wird das Löslichkeitsprodukt von Harnsäure im ableitenden Harntrakt überschritten, kommt es zur Bildung von Harnsteinen (Nephrolithiasis/ Urolithiasis), die die ableitenden Harnwege blockieren und damit zu (Nieren-)Koliken führen können. Weiterhin können die Harnsäurekristalle in den Gelenken den Knorpel und später auch den Knochen zerstören. Im Röntgenbild findet man Osteolysen, also sichtbare Auflösungen von Knochengewebe. Das betroffene Gelenk ist schmerzhaft, wird deformiert und in seiner Funktion irreversibel stark eingeschränkt. Schließlich führen die Gichttophi im Weichteilgewebe zu teils sehr schmerzhaften Entzündungen, wie z. B. Schleimbeutelentzündungen (Bursitiden).

Eine Hyperurikämie wird anhand des Serumspiegels der Harnsäure im Blut diagnostiziert. Die klinische Diagnose eines akuten Gichtanfalls kann gestellt werden, wenn sich eine schmerzhafte Monoarthritis eines peripheren Gelenks innerhalb eines Tages ohne vorhergehendes Trauma (z. B. Sturz, OP, intraartikuläre Injektion) entwickelt hat. Eine weitere Diagnostik ist nur bei untypischen Fällen indiziert. Im Blut findet man eine Leukozytose (Erhöhung der weißen Blutkörperchen). Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist stark erhöht. Der Harnsäurespiegel im Blut ist im Anfall nur bei einem Drittel der Patienten erhöht. Eine Gelenkpunktion zum Nachweis von Uratkristallen sollte im hausärztlichen Bereich nicht durchgeführt werden. Die EULAR-Empfehlungen (european league against rheumatism) gehen jedoch dahin, bei jeder Person mit Verdacht auf Gicht eine Suche nach Uratkristallen in der Synovialflüssigkeit (Gelenkflüssigkeit) oder im Tophus-Aspirat (Tophus = sichtbarer Uratablagerungen im Weichteil- oder Knorpelgewebe) durchzuführen. Es ist weiterhin empfehlenswert, die Nieren auf pathologische Veränderungen hin sonographisch (= Ultraschall) zu untersuchen.

Das Therapieziel ist, ein Fortschreiten der Gicht und eventuelle neue Gichtanfälle zu verhindern, eventuelle Uratablagerungen wieder aufzulösen und die Tophusbildung rückgängig zu machen. Eine erhöhte Serumharnsäure ohne Folgeerkrankung wie Gicht oder Urolithiasis stellt keine Indikation für eine medikamentöse Intervention dar. Jedoch gilt dieses Prinzip nicht bei sekundären Hyperurikämien im Rahmen einer Tumorerkrankung (z. B. Leukämien) und/oder einer Behandlung mit Zytostatika. Hier muss  prophylaktisch wegen zu erwartender massiv erhöhter Harnsäurespiegel neben der eventuellen Gabe von Allopurinol mit Rasburicase oder Pegloticase, einem Enzym, das Harnsäure in deutlich besser lösliches Allantoin umwandelt, therapiert werden.
Nach einem ersten Gichtanfall muss der Patient über mögliche Lebensstiländerungen aufgeklärt werden: Übergewicht sollte langsam reduziert werden. Dabei sollte die Ernährung auf purinarme Kost umgestellt, d. h. purinreiche Lebensmittel wie Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchte oder (Bier-)Hefe sollen reduziert werden. Dabei sollten üppige Mahlzeiten, aber auch langes Fasten vermieden werden. Sofern keine Kontraindikation wie z. B. eine Herzinsuffizienz besteht, sollten mindestens 2 Liter Flüssigkeit am Tag zugeführt werden. Alkohol kann einen Gichtanfall auslösen. Daher sollte ein kompletter Verzicht auf Alkohol angestrebt werden. Körperliche Aktivität hilft, den Harnsäurespiegel im Blut zu senken. Während und bis etwa 14 Tage nach einem Gichtanfall sollte nicht mit einer harnsäuresenkenden Therapie (= urate-lowering therapy, ULT) begonnen werden, weil die Harnsäure im Blut zu Therapiebeginn passager sogar ansteigen kann. Nach einem ersten Gichtanfall sollte eine ULT in Betracht gezogen und mit dem Patienten diskutiert werden. Nach einem zweiten Gichtanfall bzw. bei chronischer Gicht muss in jedem Fall eine ULT begonnen werden. Jede ULT sollte einschleichend unter Kontrolle der Harnsäurewerte begonnen werden. Zielwert ist ein Serum-Harnsäurespiegel < 6 mg/dl.
Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion ist der Xanthinoxidase-Hemmer Allopurinol das Mittel der Wahl. Er verhindert die Umwandlung von besser löslichem Xanthin und Hypoxanthin in Harnsäure. Begonnen wird mit 100 mg Allopurinol am Tag. Die Dosis soll alle 2-4 Wochen um 100 mg auf maximal 300 mg/d gesteigert werden, bis der Harnsäurespiegel den Zielwert erreicht hat. Wird dieser mit einer angemessenen Allopurinol-Dosis nicht erreicht, sollte von Allopurinol auf Febuxostat, einem weiteren neueren, aber auch wesentlich teureren Xanthinoxidase-Hemmer oder ein die Harnsäure-Ausscheidung erhöhendes Urikosurikum wie z. B. Benzbromaron gewechselt, oder Allopurinol mit einem Urikosurikum kombiniert werden. Febuxostat oder ein Urikosurikum sind ebenso indiziert, wenn Allopurinol nicht toleriert wird. Bei Niereninsuffizienz ist die Dosis von Allopurinol an die Creatinin-Clearance nach unten anzupassen. Urikosurika sind nicht indiziert bei Komplikationen wie Urat-Nephropathie, Urat-Nephrolithiasis oder einer primären Hyperurikämie mit Harnsäure-Überproduktion. Bei Patienten mit schwer einschränkender tophöser Gicht und schlechter Lebensqualität ist der Einsatz von Pegloticase indiziert, wenn der Zielwert von < 6 mg/dl Harnsäure im Blut nicht mit den o. g. Maßnahmen erreicht werden kann.
Da gerade zu Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie erneut Gichtanfälle auftreten können (besonders in der 8. bis 12. Woche), wird inzwischen während der ersten 6 Monate eine zusätzliche Prophylaxe mit Colchicin in niedriger Dosis (0,5-1 mg/d) oder mit 1 x täglich 500 mg Naproxen empfohlen. Allerdings hat Colchicin derzeit keine Zulassung in dieser Indikation.

Angeborene Enzymmangelkrankheiten bei Kindern, z. B. Lesch-Nyhan-Syndrom

Bei Kindern kann es infolge rezessiv vererbbarer Gendefekte zu sehr seltenen Enzymmangelkrankheiten kommen, die neben anderen sehr schwerwiegenden Symptomen zu einer Hyperurikämie und/oder zu einem akuten Gichtanfall führen können:

Lesch-Nyhan-Syndrom

Das Lesch-Nyhan-Syndrom ist eine X-chromosomal rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einem vollständigen Mangel  der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HGPRT oder HPRT) kommt. Diese Transferase macht eine Wiederverwertung der beim Abbau von DNA oder ATP/GTP entstehenden Purinbasen Guanin, Hypoxanthin und Xanthin möglich, indem es diese Basen mit einem Phosphoribosylrest (Phosphoribosylpyrophosphat, PRPP) zu den Nukleotiden Guanosinmonophosphat (GMP) oder Inosinmonophosphat (IMP) koppelt. Neben der Adenin-Phosphoribosyltransferase ist die HGPRT ein energieeffizienterer Weg zur Nukletidsynthese als die de-novo-Synthese von Nukleotiden und mit 90 % der Hauptstoffwechselweg für freie Purine (Purinnukleotid-salvage-pathway). Ein Defekt der HGPRT führt zum Abbau der Purine über die Xanthinoxidase und erhöht daher u. a. den Harnsäurespiegel im Blut. Mit Ausnahme von homozygot erkrankten Mädchen sind fast nur Jungen von dieser Erkrankung betroffen, da bei heterozygot betroffenen Mädchen das gesunde Allel für eine ausreichende Enzymfunktion sorgt. Die Häufigkeit wird mit 1:100000 bis 1:50000 angegeben.
Das Lesch-Nyhan-Syndrom wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt: Bei leichten Formen entwickelt sich etwa 10 Monate nach der Geburt eine Hyperurikämie, die sich im Verlauf als Gicht manifestieren kann. Bei mittelschwerem Verlauf steht der endogene Purinmangel, der wichtig für DNA-, RNA- und ATP/GTP-Synthese ist, mehr und mehr im Vordergrund. Es kommt zu einer Bewegungsarmut und einer geistige Retardierung. Die Kinder neigen zu autoaggressivem Verhalten mit Lippen- oder Fingerbissen. Auch Bisse an den Extremitäten bis hin zu Verstümmelungen kommen vor, wobei eine Seitenpräferenz (rechter oder linker Arm) vorliegt. Bei der schwersten Form verstärkt sich das autoaggressive Verhalten und Aggressionen können sich auch gegen nahe Bezugspersonen wie Eltern oder Geschwister richten. Hinzu kommen schwere neurologische Störungen mit Hypotonie, Hyperreflexie, Spastizität und Choreoathetose (Hyperkinese von Armen und Beinen, aber auch des Gesichts, ähnlich wie bei Chorea Huntington).
Diagnostiziert wird die Erkrankung anhand der HGPRT-Aktivität im Serum. Ein direkter molekulargenetischer Nachweis sollte sich anschließen. Erster Hinweis auf die Erkrankung kann der erhöhte Harnsäurespiegel im Serum sein.
Eine kausale Therapie des Lesch-Nyhan-Syndroms ist nicht möglich. Der erhöhte Harnsäurespiegel wird mit Allopurinol behandelt. 5-Hydroxytryptophan bessert die Athetose. Eine Tiefenhirnstimulation kann das autoaggressive Verhalten lindern. Gegebenenfalls müssen die Milchzähne vorzeitig entfernt werden, um schwerwiegende Bissverletzungen kontrollieren zu können. In schweren Fällen führt die Erkrankung bereits im Kindes- oder Jugendalter zum Tode.


Adenin-Phosphoribosyltransferase-Mangel

Die Adenin-Phosphoribosyltransferase (APRT) katalysiert analog der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HGPRT) die Reaktion von Adenin und Phosphoribosylpyrophosphat (PRPP) zu Adenosinmonophosphat (AMP). Sie dient daher wie die HGPRT zur energieeffizienteren Resynthese von Nukleotiden aus Purinbasen und gehört wie HGPRT zum Purinnukleotid-salvage-pathway, über den 90 % der freien Purine wiederverwertet werden. Ein Adenin-Phosphoribosyltransferase-Mangel geht auf einen im Gegensatz zum Lesch-Nyhan-Syndrom autosomal vererbten Gendefekt zurück. Männer und Frauen sind daher gleichhäufig von dieser seltenen Erbkrankheit betroffen. Ist die Wiederverwertung von Adenin infolge eines APRT-Mangels nicht möglich, wird Adenin ausschließlich durch die Xanthinoxidase zu 2,8-Dihydroxyadenin umgewandelt. 2,8-Dihydroxyadenin ist im Urin schwer löslich und fällt aus.
Die Symptome beim APRT-Mangel gehen auf die ausgefallenen 2,8-Dihydroxyadenin-Steine (Nephrolithiasis) in der Niere zurück. Es kann sich akut eine Nierenkolik mit starken Flankenschmerzen und Fieber oder sogar ein akutes Nierenversagen entwickeln. Durch eine permanente Ausfällung der 2,8-Dihydroxyadenin-Steine kann sich ein bleibender Nierenschaden mit Niereninsuffizienz entwickeln.
Die Diagnostik zielt auf das Erkennen der 2,8-Dihydroxyadenin-Steine in der Niere ab. Im Röntgenbild sind diese nicht sichtbar. Daher wird ein Ultraschall bzw. ein CT der Niere durchgeführt.
Durch die Hemmung der Xanthinoxidase mit Allopurinol wird die Bildung von 2,8-Dihydroxyadenin vermindert. Dies führt in Kombination mit einer purinarmen Ernährung (z. B. Reduzierung der Zufuhr von Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchten oder Bierhefe) zu einer Besserung der Symptome.

Dosierung

Erwachsene:
Initial 1 x 100 mg peroral
Dosissteigerung auf bis zu 3 x 100 mg bzw. 1 x 300 mg peroral unter Kontrolle des Harnsäurespiegels
Bei Bedarf maximale Tagesdosis: 800 mg

Kinder:
10 mg/kg KG peroral, verteilt auf 3 Einzeldosen
Bei Bedarf maximale Tagesdosis: 400 mg

Patientenhinweis

Purinarme Ernährung und der Verzicht auf Alkohol sind entscheidend für den Therapieerfolg.
Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
Keine Anwendung bei akuten Gichtanfällen!
Zu Beginn der Therapie können vermehrt Gichtanfälle auftreten.

Nebenwirkungen

  Reaktiver Gichtanfall

Insbesondere zu Beginn der Therapie können durch die Mobilisierung von Harnsäuredepots akute Gichtanfälle ausgelöst werden. Es wird deshalb in den ersten Behandlungsmonaten eine gleichzeitige Gabe von nichtsteroidalen Analgetika oder Colchicin empfohlen.

  Überempfindlichkeitsreaktionen

Es treten häufig Überempfindlichkeitsreaktionen in Form von Hautveränderungen auf. Darüber hinaus können selten Fieber, Gelenkschmerzen oder Eosinophilie (Erhöhung der eosinophilen Granulozytenanzahl) auftreten.

  Stevens-Johnson- und Lyell-Syndrom

Fälle von Stevens-Johnson- (Hautveränderung mit Blasenbildung) und Lyell-Syndrom (Hautablösung mit Blasenbildung, potenziell lebensgefährlich) wurden beschrieben. Beim Auftreten dieser Reaktionen sollte die Therapie umgehend ausgesetzt bzw. eingestellt werden. Eine ärztliche Abklärung ist nötig.

  Gastrointestinale Beschwerden

Beschwerden wie Übelkeit, Brechreiz oder Durchfall können auftreten. Das Auftreten dieser unerwünschten Wirkungen lässt sich jedoch durch eine Einnahme nach den Mahlzeiten und einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr begrenzen.

  Leberfunktionsstörungen

Leberfunktionsstörungen treten selten bei einer Therapie auf, jedoch reicht das Spektrum der möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen von einer Erhöhung der Leberwerte bis hin zur Hepatitis mit Lebernekrose (Absterben von Lebergewebe).

  Störungen des Blutbildes

In Einzelfällen können nach der Gabe von Allopurinol Leukopenie, Leukozytose,Granulozytose oder Eosinophilie auftreten.

Das Hämogramm (Blutbild) stellt die Menge der in einer Blutprobe vorhandenen Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen), Thrombozyten (Blutplättchen) und Retikulozyten (polymorphkernige Blutkörperchen) nebeneinander dar. Beim Differentialblutbild werden sowohl quantitative als auch qualitative Parameter, wie z. B. die Form, mit herangezogen. Neben pathologischen Veränderungen können Abweichungen von den Normwerten auch durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen bedingt sein. Auftreten können u. a.:
  • Leukopenie: Die Gesamtzahl aller Leukozyten (Granulozyten, Lymphozyten, Monozyten) im Blut ist auf unter 5.000/mm³ reduziert.
  • Leukozytose: Die Gesamtzahl aller Leukozyten im Blut ist über 10.000/mm³ erhöht.
  • Granulozytopenie: Verminderung der Anzahl der Leukozyten, insbesondere der neutrophilen Granulozyten.
  • Agranulozytose (perniziöse Neutropenie): Verminderung der Anzahl der Leukozyten (Leukopenie), die Granulozyten können komplett fehlen. Auch die Blutplättchen und das Knochenmark können betroffen sein. Eine Agranulozytose kann sich innerhalb von Stunden ausbilden und geht üblicherweise mit grippeähnlichen Symptomen einher, bei deren Auftreten der Patient darüber aufgeklärt sein muss, dass umgehend eine ärztliche Konsultation erfolgen sollte. Es wird symptomatisch therapiert; Breitbandantibiotika und Granulozyten-Koloniestimulierende Faktoren, wie Filgrastim, werden häufig in der Therapie verabreicht.
  • Eosinophilie: Erhöhung der Anzahl der eosinophilen Granulozyten im Blut. Bei allergischen Reaktionen wie dem Arzneimittelexanthem tritt dies zum Beispiel auf.
  • Thrombozytopenie: Verminderung der Anzahl der Thrombozyten unter 150.000/mm³. Durch den Mangel an Thrombozyten ist die Blutgerinnung gestört und es treten vermehrt Hämatome oder Blutungen auf.
  • Aplastische Anämie: Die Gesamtzahl aller Zellen im Blut ist reduziert (Panzytopenie). Ursache ist eine gestörte Stammzellreifung im Knochenmark.
Grundsätzlich stellen Blutbildveränderungen ernste bis lebensbedrohliche unerwünschte Wirkungen dar, die einer weitergehenden ärztlichen Abklärung bzw. Behandlung bedürfen.

Kontraindikationen

Alkohol

Erhöhte Alkoholzufuhr führt zu einer Hyperlactacidämie, die die renale Harnsäureausscheidung negativ beeinflusst.

Schwangerschaft und Stillzeit

Die Substanz sollte nur nach strenger Indikationsstellung in der Schwangerschaft appliziert werden, da keine ausreichenden Daten zur Anwendung beim Menschen vorliegen.
In Tierversuchen haben sich embryotoxische/teratogene Wirkungen gezeigt.

Die Substanz geht in die Muttermilch über. Für die Anwendung in der Stillzeit liegen nur unzureichende Daten vor.

Wechselwirkungen

  Antikoagulantien

Die antikoagulatorische Wirkung von Cumarinderivaten kann erhöht werden.

Antikoagulantien anzeigen

  Zytostatika z. B. Cyclophosphamid

Bei Kombination mit Zytostatika wie Cyclophosphamid, Doxorubicin oder Bleomycin treten vermehrt Blutbildveränderungen auf.

Zu Cyclophosphamid wechseln

  Mercaptopurin, Azathioprin

Azathioprin und Mercaptopurin werden ebenfalls über die Xanthinoxidase metabolisiert. Durch die mangelnde Metabolisierung werden zu hohe Blutspiegel erreicht und lebensbedrohliche unerwünschte Wirkungen wie z. B. die Knochenmarkstoxizität treten vermehrt auf. Werden diese Präparate zusammen mit Allopurinol eingenommen, muss die Dosis von Azathipron oder Mercaptopurin um mindestens 75 % gesenkt werden.

  Probenecid

Es tritt eine verlangsamte Elimination von Probenecid auf.

Zu Probenecid wechseln

  Ampicillin, Amoxicillin

Es können vermehrt Unverträglichkeitsreaktionen auftreten. Wenn möglich, sollte mit anderen Antibiotika therapiert werden.

Ampicillin, Amoxicillin anzeigen

  Ciclosporin

Es können erhöhte Plasmaspiegel von Ciclosporin auftreten, so dass vermehrt mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu rechnen ist.

  Theophyllin

Allopurinol hemmt die Metabolisierung von Theophyllin. Aus diesem Grund sollten zumindest zu Beginn der Therapie oder im Falle einer Dosiserhöhung die Plasmaspiegel von Theophyllin bestimmt werden.

Zu Theophyllin wechseln

  Chlorpropamid

Bei gleichzeitiger Einnahme kann die hypoglykämische Wirkung verlängert werden. Diese unerwünschte Wirkung tritt zumeist bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion auf.

  Vidarabin

Es ist mit einer verlängerten Plasmahalbwertszeit zu rechnen. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie die Neurotoxizität können daher vermehrt auftreten.

Strukturformel

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Wirkmechanismus

Purine wie Adenosin oder Guanosin sind grundlegende Bausteine jedes Organismus. Die Zufuhr erfolgt dabei sowohl über die Nahrung, die ihrerseits Purine enthält, als auch über eine körpereigene Synthese.
Ausgangssubstanz dieser Synthese ist 5-Phosphoribosylpyrophosphat, aus dem über mehrere Zwischenschritte Inosinmonophosphat gebildet wird. Inosinmonophosphat (IMP) dient wiederum als Ausgangssubstanz für die Synthese von Adenosinmonophosphat (AMP) und Guanosinmonophosphat (GMP). Der Abbau von Purinen findet hauptsächlich in der Leber sowie im Dünndarm statt und liefert als Endprodukt Harnsäure (Urat, bzw. Natriumurat). Dabei wird Adenosin zunächst zu Hypoxanthin umgesetzt und anschließend mit Hilfe der Xanthinoxidase zum Xanthin überführt. Der Guanosin-Metabolismus endet direkt beim Xanthin. Das gebildete Xanthin wird im nächsten Schritt - ebenfalls Xanthinoxidase vermittelt - zur Harnsäure metabolisiert. Sowohl in der Synthese als auch im Abbau bestehen Rückkopplungsmechanismen. So wirken z. B. AMP, GMP und IMP hemmend auf die Purinsynthese. Ausgeschieden wird die Harnsäure größtenteils über die Niere, wobei neben einer glomerulären Filtration auch tubuläre Sekretions- sowie Rückresorptionsmechanismen bestehen. Pathologische Veränderungen sowohl der Synthese- als auch der Eliminationsmechanismen können dazu führen, dass die Harnsäurekonzentration im Plasma oder Serum die Sättigungslöslichkeit übersteigt und ausfällt. Eine Harnsäurekonzentration im Plasma über 6,4 mg/dl gilt dabei als Grenzwert.
Neben diätetischen Maßnahmen bestehen therapeutische Eingriffsmöglichkeiten in einer Hemmung der Harnsäuresynthese. Der Hauptwirkmechanismus von Allopurinol besteht in einer Hemmung des Purinabbaus. Dabei wird die Umsetzung von Hypoxanthin zum Xanthin und weiter zur Harnsäure unterbunden. Es werden vermehrt Xanthin und Hypoxanthin mit dem Urin ausgeschieden. Allopurinol (Halbwertszeit ca. 40 Minuten) wird durch die Xanthinoxidase zu seinem langwirksamen Metaboliten Oxipurinol (Halbwertszeit ca. 14 Stunden) umgesetzt. Dieser ist maßgeblich an der Wirkung beteiligt. Durch diesen Eingriff werden auch Rückkopplungseffekte beeinflusst, da nun vermehrt Xanthin und Hypoxanthin vorliegen. Letzteres fördert z. B. die Bildung von IMP, das hemmend auf die Purinsynthese wirkt. Aufgrund seines hemmenden Effekts bezeichnet man Allopurinol auch als Urikostatikum.
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Patientenhinweis

Zu den purinreichen Lebensmitteln zählen vor allem Innereien wie Bries, Niere, Hirn, Leber, Herz und Zunge sowie Fleischextrakt.
Bei den alkoholhaltigen Getränken wirkt sich vor allem Bier negativ auf den Harnsäurespeigel aus, da hierdurch Guanosin aufgenommen wird.
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Dosierung

Die Tabletten werden unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit nach einer Mahlzeit eingenommen. Die Dauer der Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung. Allopurinol ist zur Dauertherapie geeignet. Die Dosierung sollte einschleichend erfolgen, um das Risiko eines akuten Gichtanfalls zu senken. Eine Dosissteigerung sollte unter Kontrolle der Serum-Harnsäurespiegel alle 2-4 Wochen um 100 mg/d erfolgen. Die übliche Dosis bei Erwachsenen in der Dauertherapie beträgt 100-300 mg Allopurinol. In Einzelfällen ist eine Tagesdosis von 600-800 mg Allopurinol notwendig. Zur besseren Verträglichkeit sollten Tagesdosen >300 mg auf mehrere Einzeldosen verteilt werden und die Einzeldosis maximal 300 mg betragen. Ebenfalls sollte bei hohen Tagesdosen der Oxipurinol-Spiegel (= aktiver Metabolit von Allopurinol) kontrolliert werden. Der Grenzwert liegt hier bei 15 µg/ml (100 µmol). Bei Kindern wird nach Körpergewicht dosiert (10 mg/kg KG). Die Tageshöchstdosis beträgt bei Kindern 400 mg Allopurinol.

Bei schweren Nierenfunktionsstörungen ist die Dosis nach unten anzupassen. Bei Creatinin-Werten über 20 ml/min kann noch die Standarddosis gegeben werden. Bei Leberfunktionsstörungen müssen unter der Therapie mit Allopurinol die Leberwerte kontrolliert werden. Genaue Angaben sind der Gebrauchs- oder Fachinformation zu entnehmen.

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