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Azathioprin

    

Wirkmechanismus

Atypisches Nukleosid: Hemmung der zellulären Immunantwort durch Hemmung der Purinbasensynthese

Anwendung

Prophylaxe der Transplantat-Abstoßung

Es besteht eine Zulassung in der Kombinationstherapie mit anderen immunsuppressiven Substanzen.

Da bei einer Organtransplantation in der Regel körperfremde Organe dem Organempfänger implantiert werden, ist prinzipiell mit einer Abstoßungsreaktion zu rechnen, es sei denn das gespendete Organ entstammt einem genetischen Klon, also einem eineiigen Zwilling. Da dieses in der Regel nicht der Fall ist, erkennt das Immunsystem des Empfängers das gespendete Organ anhand seiner Oberflächenantigene als fremd an und bekämpft dieses sowohl durch humorale als auch zelluläre Abwehrmechanismen. Diese Abwehrmechanismen werden durch Immunsuppressiva wie Ciclosporin, Tacrolimus oder Azathioprin unterdrückt. Allerdings ist dieses kein 100%iger Schutz gegen späte chronische Abstoßungsreaktionen. Diese spielen sich in den Organ-versorgenden Blutgefäßen ab (Vaskulopathie).

Schwere aktive rheumatoide Arthritis

Die Anwendung von Azathoprin ist angezeigt, wenn mit anderen, weniger toxischen Basistherapeutika keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden können.

Bei den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises liegt kausal ein autoimmunologisches Phänomen zugrunde, welches zusätzlich einer gewissen genetischen Prädisposition bedarf. Wie bei anderen autoimmunologisch bedingten Erkrankungen auch, ist der auslösende Trigger oftmals unbekannt.
Es kommt zu einer Aktivierung des Immunsystems indem sich Autoantikörper verschiedener Subklassen (sogenannte Rheumafaktoren) (IgM, IgG, IgA, IgE) gegen den konstanten Teil (Fc-Teil) von körpereigenen IgG-Antikörpern richten. Nach der Bindung des Rheumafaktors an den Antikörper wird die Autoimmunreaktion unter Beteiligung des humoralen und zellulären Immunsystems ausgelöst. Durch die Freisetzung von Zytokinen (regulatorische Proteine zur Signalübertragung zwischen Zellen), die als Entzündungsmediatoren fungieren wird eine Entzündungsreaktion in Gang gesetzt.
Dieses äußert sich in den klassischen Entzündungsanzeichen Rötung, Schwellung, Hitze, Schmerz und Funktionsbeeinträchtigung, wobei Prostaglandine und andere Gewebshormone eine tragende Rolle spielen.
Es kommt zur Zerstörung von Gelenkknorpel und Knochengewebe sowie zur Bildung eines bindegewebsartigen Pannus (Vergrößerung des Gewebes durch Granulationsgewebe und Entzündungszellen). Damit die Entzündungsreaktion aufrechterhalten werden kann und um weitere Immunzellen zur Einwanderung in das entzündete Gelenk zu bewegen, schütten Makrophagen und T-Zellen proinflammatorische Zytokine aus; von besonderem Interesse sind hier der Tumornekrosefaktor α (TNF-α) sowie das Interleukin 1 (IL-1). Nehmen die proinflammatorischen Zytokine überhand, kommt es u. a. zu folgenden Reaktionen:

  • Vermehrte Ausschüttung des jeweils anderen Zytokins durch die Anwesenheit von TNF-α bzw. IL-1
  • Aktivierung von knochenabbauenden Osteoklasten
  • Abbau des Gelenkknorpels
  • Beschleunigung des Pannuswachstums
  • Vermehrte Synthese weiterer Entzündungsmarker

Bei Nichttherapie dieses Geschehens erfolgt langfristig eine Zerstörung der entsprechenden Gewebsstrukturen, was bei Erkrankungen von Gelenken eine Versteifung des entsprechenden Gelenks zur Folge hat.

Neben der Anwendung von direkt antiphlogistisch wirksamen Substanzen, welche in der akuten Schmerzphase zum Einsatz kommen, werden in der Rheumatherapie sogenannte Basistherapeutika (langwirksame Antirheumatika, disease modifying antirheumatic drug, DMARD) eingesetzt. Hierbei handelt es sich in der Regel um Immunmodulatoren, die in synthetische (z. B. Methotrexat) und biologische DMARDs (z.B. Adalimumab) unterschieden werden können. So besteht eine Therapieoption darin, das Gleichgewicht von pro- und antiinflammatorischen Zytokinen durch DMARDs wieder herzustellen.
Bis zum Wirkeintritt, der häufig mit einer deutlichen Besserung der Beschwerden einhergeht, können jedoch mehrere Wochen vergehen.
Sollte es nur zu einer unzureichenden Besserung des Krankheitsverlaufes kommen, können auch mehrere DMARDs gleichzeitig zum Einsatz kommen.

Systemischer Lupus erythematodes

Der Lupus erythematodes ist eine chronische in Schüben verlaufende Systemerkrankung, die zu den Kollagenosen gehört. Dieses sind Autoimmunerkrankungen, welche primär das Bindegewebe betreffen.
Durch einen nicht näher definierten Trigger kommt es dazu, dass Immunzellen Antigene des eigenen Bindegewebes als fremd erkennen und gegen dieses Gewebe vorgehen, was zu einer Entzündung führt. Da die daran beteiligten Phagozytose-aktiven Zellen (Makrophagen, Monozyten etc.) die betroffenen Zellen nicht lysieren können, kommt es zusätzlich zu größeren Immunaggregaten, welche lokale Entzündungen des versorgenden Blutgefäßsystems verursachen und damit eine Minderdurchblutung des betroffenen Areals bedingen können.
Typische Symptome sind unter anderem Hautveränderungen und Muskel- und Gelenkbeschrwerden. Die Niere ist in 50 % der Fälle betroffen.
Bei schweren Schüben kann es zum Versagen etwaig betroffener lebenswichtiger Organe wie Niere, Leber oder Herz kommen.

Das Ziel der Therapie ist eine Remession, wenn diese nicht zu erreichen ist, eine geringe Krankheitsaktivität in allen betroffenen Organen. Mittel der Wahl sind Malariamittel, wie Hydroxychloroquin. Wenn dies nicht ausreicht, kommen Glucocorticoide wie Prednisolon und ggf. Immunsuppressiva wie Azathioprin zum Einsatz.

Weitere Erkrankungen, die einer immunsuppressiven Therapie bedürfen

Zu weiteren Einsatzgebieten der Substanz zählen folgende Erkrankungen:

  • Chronische, durch eine Autoimmunreaktion hervorgerufene Hepatitis
  • Morbus Behçet, eine Gefäßerkrankung mit Beteiligung der Schleimhäute, der Haut und des Auges
  • Dermatomyositis
  • Hämolytische autoimmune Anämie
  • Morbus Werlhof, eine Erkrankung mit Hautblutungen infolge eines Abfalls der Blutplättchenzahl, wahrscheinlich durch Autoimmunreaktionen hervorgerufen.

Die Substanz wird üblicherweise zusammen mit Glucocorticoiden verabreicht. Häufig sinkt der Glucocorticoidbedarf des Patienten in der Kombinationsbehandlung.

Morbus Crohn

Der Morbus Crohn (benannt nach dem amerikanischen Gastroenterologen Bernhard Crohn) ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Sie kann im gesamten Magen-Darm-Takt auftreten, am häufigsten sind aber der terminale Dünndarm (daher der ältere Name „Ileitis terminalis“) und das Kolon betroffen. Neben der Lokalisation sind der diskontinulierliche Verlauf, d. h. das Abwechseln von kranken und gesunden Abschnitten im Verdauungstrakt, und der transmurale Charakter der Entzündung (d. h. alle Schichten der Darmwand sind betroffen) typisch. Die Prävalenz (Häufigkeit) der Erkrankung liegt in Deutschland bei etwa 120-200 Patienten pro 100.000 Einwohner. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 15. und 34. Lebensjahr. Der Verlauf ist chronisch-rezidivierend mit zwischenzeitlichen Phasen der Remission (temporäres oder dauerhaftes Nachlassen der Kranheitssymptome ohne Erreichen der Genesung). Zahlreiche Faktoren spielen bei der Entstehung des Morbus Crohn eine Rolle. Aufgrund des guten Ansprechens auf Immunsuppressiva und Immunmodulatoren wird er zu den Autoimmunerkrankungen gezählt, ohne den genauen Entstehungsmechanismus, bei dem am Ende eine TH-1-gesteuerte Immunantwort (TH = T-Lmphozyt-Helferzelle) überwiegt, zu kennen. Daneben spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Genannt seien an dieser Stelle Mutationen von NOD2 und Polymorphismen von Genen, die für sog. Defensine codieren, die eine Barrierefunktion zur Abwehr von in die Darmwand eindringenden Bakterien haben. Diese Barriere der Darmschleimhaut ist weiterhin häufig durch eine verminderte Anzahl von tight junctions (abdichtende Verbindungen) zwischen den Epithelzellen gestört. Daher können Bakterien oder andere Umweltfaktoren diese Barriere leichter überwinden. Insbesondere das Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis (MAP) kann bei Morbus-Crohn-Patienten häufig nachgewiesen werden. Andere Risikofaktoren wie eine übertriebene Hygiene in der Kindheit, Rauchen sowie Detergentien, Weichmacher und Emulgatoren werden diskutiert. Psychische Faktoren spielen bei der Entstehung der Erkrankung keine Rolle. Dennoch hat der chronische Krankheitsverlauf einen erheblichen Einfluss auf die Psyche des Patienten.

Die Erkrankung beginnt meist mit unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Gewichtsverlust und Bauchschmerzen, die häufig im rechten Unterbauch angegeben werden. Das wichtigste Symptom sind dann die sehr häufigen (10-20 /Tag), meist unblutigen Durchfälle. Ein allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber und Anorexie (Appetitmangel) sind weitere Begleitsymptome. Im weiteren Verlauf kommt es oft zu weiteren, schweren Symptomen. Durch die häufigen Durchfälle, Appetitmangel und zur Therapie eingesetzte Arzneistoffe (z. B. Corticoide) kann es zu schwerwiegenden Mangelerscheinungen kommen, auf die geachtet werden muss. Besonders unangenehm sind Fistelbildungen: Die alle Wandschichten betreffende Entzündung kann auf einen gesunden Darmabschnitt übergreifen und eine Verbindung zwischen weit voneinander entfernt liegenden Darmabschnitten schaffen oder sich einen Weg an die Hautoberfläche bahnen (z. B. bei Analfisteln). Als weitere Komplikation können diese Fisteln auch zu intra- und retroperitonealen (innerhalb und hinter dem Bauchfell gelegenen) Abszessen führen. Andere Komplikationen sind ein mechanischer Ileus (Darmverschluss) durch entzündungsbedingte Stenosen und intestinale Blutungen. Der Morbus Crohn kann bei seinem chronischen Verlauf auch extraintestinale Manifestationen zeigen, die vom Patienten häufig gar nicht damit in Zusammenhang gebracht werden. Häufig betroffen sind Haut (z. B. Erytheme, Aphthen), Gelenke (z. B. Arthritis), Augen (z. B. Uveitis = Regenbogenhautentzündung, Keratitis = Hornhautentzündung), Gefäße (z. B. Vaskulitis, Thrombosen) und die Niere (z. B. Glomerulonephritis).

Die Anamnese des Patienten ist für die Diagnostik wegweisend. Bildgebende Verfahren wie Gastroskopie, Koloskopie, Röntgenkontrastmitteluntersuchung und Sonographie lassen die segmentalen Entzündungsherde erkennen. Dabei stellen sich die fleckförmigen Entzündungsherde als „Pflastersteinrelief“ dar. Laboruntersuchungen geben Hinweise auf die Entzündungsaktivität (Blutsenkungsgeschwindigkeit = BSG und C-reaktives Protein = CRP). Zur besseren Abgrenzung zur Colitis ulcerosa werden Antikörpertests auf den perinukleären antineutrophilen cytoplasmatischen Antikörper (p-ANCA) und den Anti-Saccharomyces-cerevisiae-Antikörper (ASCA) durchgeführt, wobei der Morbus Crohn eher p-ANCA-negativ und ASCA-positiv ist.

Ziele einer Therapie sind eine Verringerung der Entzündungsaktivität, eine deutliche Linderung der Symptome und ein möglichst langfristiger Erhalt der Darmfunktion. All diese Ziele tragen zu einer Verbesserung der Lebensqualität des Patienten bei. Eine Heilung ist nicht möglich. Die Auswahl der möglichen Arzneistoffe richtet sich nach der Krankheitsaktivität, dem Befallsmuster im Verdauungstrakt, dem Vorhandensein von extraintestinalen Manifestationen, dem bisherigen Ansprechen auf vorhergehende Behandlungen sowie nach Begleiterkrankungen und potentiellen unerwünschten Wirkungen der Arzneistoffe. Bei der Therapie muss man zwischen der Akuttherapie und der remissionserhaltenden Langzeittherapie unterscheiden. Akute Schübe werden mit Glucocorticoiden behandelt, da Mesalazin oft nur mäßig wirkt. Dabei wird bei leichteren Verläufen zunächst eine perorale Therapie mit Budesonid angestrebt, da es bei hoher lokaler Wirksamkeit einem hohen First-pass-Effekt unterliegt und daher wenig systemische Nebenwirkungen verursacht. Bei schwereren Verläufen muss auf eine systemische Gabe von z. B. Prednison (1 mg/kg KG/d) ausgewichen werden. Bei nicht ausreichendem Ansprechen auf eine Steroidbehandlung wird die Therapie mit den Immunsuppressiva Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin ergänzt. Bei Unverträglichkeit kann auf Methotrexat ausgewichen werden. Reicht auch diese Eskalationstherapie nicht aus, kommen TNF-α-Antikörper, wie Infliximab oder Alemtuzumab, zum Einsatz. Innerhalb von 6 Wochen soll eine Remission erreicht werden. Die Glucocorticoide sollen dabei schnellstmöglich ausgeschlichen werden. Ist das innerhalb von 4 Monaten nicht möglich oder tritt innerhalb von 3 Monaten erneut ein erneuter Krankheitsschub (Rezidiv) auf, spricht man von einem steroidabhängigen Verlauf. In diesem Fall muss eine dauerhafte Langzeittherapie mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin angedacht werden, da eine Langzeittherapie mit hochdosierten Glucocorticoiden nicht geeignet ist. Das unter den Umständen einer oft mehrjährigen immunsuppressiven Therapie deutlich erhöhte Infektionsrisiko sollte dem Patienten bewusst sein. Eventuelle Infektionen müssen konsequent behandelt werden. Weiterhin muss darauf geachtet werden, dass die Patienten unter der Erkrankung bzw. unter der Therapie keine Mangelerscheinungen entwickeln. Gegebenenfalls müssen Vitamine und Elektrolyte sowie Calcium, Vitamin D (bei Glucorticoidtherapie) und Eisen (bei Blutungen) ersetzt werden. Trotz der medikamentösen Therapie müssen gegebenenfalls Resektionen schwer entzündeter Abschnitte durchgeführt werden. Auch Komplikationen wie Fisteln oder Abszesse werden häufig operativ versorgt.



Colitis ulcerosa

Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die in der Regel im Rektum beginnt und sich von dort aus kontinuierlich bis maximal in den Dickdarm (Kolon) ausbreitet. Dabei bleibt die Entzündung auf die Dickdarmschleimhaut mit Mucosa und Submucosa beschränkt. Die Prävalenz (Häufigkeit) der Erkrankung liegt in Deutschland bei etwa 160-250 Patienten pro 100.000 Einwohner. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 16 und 25 Jahren. Der Verlauf ist chronisch-rezidivierend mit zwischenzeitlichen Phasen der Remission (temporäres oder dauerhaftes Nachlassen der Krankheitssymptome ohne Erreichen der Genesung). Eine sinnvolle Klassifikation der Colitis ulcerosa wird nach der Ausdehnung der Erkrankung vorgenommen. Danach unterscheidet man die Proktitis (Entzündung des Rektums), die Linksseitenkolitis und die schwere Kolitis mit  Ausdehnung über die linksseitige Flexur (Biegung) des Dickdarms. Diese Einteilung hat Auswirkung auf die Art der Therapie (lokal/systemisch) und auf den Beginn eines Karzinomüberwachungsprogramms. Zahlreiche Faktoren spielen bei der Entstehung der Colitis ulcerosa eine Rolle. Aufgrund des guten Ansprechens auf Immunsuppressiva und Immunmodulatoren wird sie zu den Autoimmunerkrankungen gezählt, ohne den genauen Entstehungsmechanismus, bei dem am Ende eine TH-2-gesteuerte Immunantwort (TH = T-Lmphozyt-Helferzelle) überwiegt, zu kennen. Daneben scheinen Genmutationen wie z. B. im IL17REL-Gen eine wichtige Rolle zu spielen. Weiterhin werden eine krankhaft gesteigerte Immunreaktion gegen die Darmflora, Umwelteinflüsse und eine möglicherweise übertriebene Hygiene beim Patienten diskutiert. Die Ernährung und psychische Faktoren spielen bei der Entstehung keine Rolle, auch wenn im Verlauf der Erkrankung eben diese Faktoren gegebenenfalls in den Vordergrund rücken (müssen).

Der Beginn der Erkrankung kann schleichend mit Abgeschlagenheit und einem allgemeinen Krankheitsgefühl oder aber auch akut sein. Hauptsymptom sind schwere, rezidivierende Durchfälle 10-20 /Tag). Der Stuhl kann durch oberflächliche Schleimhautblutungen blutig sein. Weiterhin haben die Patienten häufig schmerzhafte Koliken. Die Lebensqualität wird durch Stuhlinkontinenz mit imperativem (= zwanghaftem) Stuhldrang erheblich eingeschränkt. Schwere Flatulenzen deuten auf bestehende Zuckerunverträglichkeiten (Sorbit, Fructose, Lactose) während eines Schubs hin. Im weiteren Krankheitsverlauf kann es zu extraintestinalen Manifestationen kommen, die die Lebensqualität darüber hinaus weiter einschränken. Besonders erwähnt seien hier Arthritiden, Augenmanifestationen (z. B. Skleritis = Entzündung der Lederhaut oder Uveitis = Regenbogenhautentzündung), Hauterkrankungen (z. B. Erythema nodosum) und Osteopenie bis hin zur manifesten Osteoporose. Eine Sonderstellung nimmt noch die primär sklerosierende Cholangitis (PSC, eine chronische Entzündung der Gallengänge) ein, da sie wegen der schnellen Progression zu einer Leberzirrhose einen erheblichen Einfluss auf die Therapie und die Prognose hat. Wichtige Komplikationen der Colitis ulcerosa sind das toxische Megacolon, einem akut lebensbedrohlichen Krankheitszustand mit starker Erweiterung des Dickdarm und Sepsis, sowie das kolorektale Karzinom, das die o. a. Vorsorgeuntersuchungen notwendig macht.

Bei der Diagnostik spielen Anamnese, das klinische Erscheinungsbild, Laboruntersuchungen sowie bildgebende Verfahren eine Rolle. Bei der Blutuntersuchung schaut man auf Entzündungsparameter (CRP =C-reaktive Protein, BSG = Blutkörperchensenkgeschwindigkeit), immunologische Marker (perinukleärer antineutrophiler cytoplasmatischer Antikörper = p-ANCA eher positiv, Anti-Saccharomyces-cerevisiae-Antikörper = ASCA negativ), Eisenwerte (Anämie bei chronischen Blutungen) und Transaminasen (Hinweis auf PSC mit Cholestase).  Bei den bildgebenden Verfahren ist neben Röntgenkontrastmitteluntersuchungen und der Sonographie (Ultraschall) besonders die Endoskopie durch den Anus (Koloskopie) wichtig. Hierbei können Biopsien entnommen und der Grad der Entzündung sowie verdächtige Areale auf Präkanzerosen hin beurteilt werden. In der Histologie zeigen sich typischerweise sog. „Kryptenabszesse“ am Grund der Dickdarmschleimhaut. Differentialdiagnostisch müssen andere Kolitiserkrankungen, wie pseudomembranöse Kolitis (z. B. nach Antibiotika), infektiös bedingte Kolitis, ischämisch bedingte Kolitis oder Divertikel-bedingte Kolitis, ausgeschlossen werden. In manchen Fällen kann trotz der aufwändigen Diagnostik eine Abgrenzung zum Morbus Crohn schwierig sein.

Ziele einer Therapie sind eine Verringerung der Entzündungsaktivität, eine deutliche Linderung der Symptome und ein möglichst langfristiger Erhalt der Darmfunktion. Weiterhin gilt es, bei ausgedehnter Colitis ulcerosa frühzeitig mit einem Karzinomüberwachungsprogramm zu beginnen. All diese Ziele tragen zu einer Verbesserung der Lebensqualität und Lebenszeit des Patienten bei. Eine Heilung ist nicht möglich. Die Auswahl der möglichen Arzneistoffe richtet sich nach der Krankheitsaktivität, dem Befallsmuster im Verdauungstrakt, dem Vorhandensein von extraintestinalen Manifestationen, dem bisherigen Ansprechen auf vorhergehende Behandlungen sowie Begleiterkrankungen und potentieller unerwünschter Wirkungen der Arzneistoffe. Bei der Therapie muss man zwischen der Akuttherapie und der remissionserhaltenden Langzeittherapie unterscheiden. Die Akuttherapie richtet sich nach der Lokalisation der aktuellen Entzündung. Die Proktitis wird rektal mit 5- Aminosalicylaten (5-ASA) wie Mesalazin oder Sulfasalazin als Suppositorien, Schäume oder Einläufe behandelt. Bei Versagen kommen topisch anzuwendende Glucocorticoide wie Budesonid oder oral verabreichtes Mesalazin hinzu. Die Linksseitenkolitis sollte mit einer Kombination von rektal anzuwendenden 5-ASA-Präparaten (Einläufe, Schäume) und oral verabreichten 5-ASA-Präparaten behandelt werden. Dabei können Dosierungen >3 g/Tag notwendig werden. Persistieren blutige Durchfälle länger als 14 Tage, muss eine systemische Behandlung mit Glucocorticoiden wie Prednison oder Prednisolon in Betracht gezogen werden. Eine schwere Kolitis wird zunächst genauso wie die Linksseitenkolitis behandelt. Jedoch sollte die Behandlung bei schweren Diarrhoen, Fieber, Tachykardie, Anämie und sehr hohen Entzündungsparametern stationär durchgeführt werden. Eine unter Steroiden fortbestehende hohe Krankheitsaktivität spricht für einen steroidrefraktären Verlauf. Hier kommen dann starke Immunsuppressiva wie Ciclosporin A, Infliximab bzw. Alemtuzumab oder Tacrolimus zum Einsatz. Nach einem eventuellen Ansprechen wird dann auf Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin umgestellt. Das unter den Umständen einer oft mehrjährigen immunsuppressiven Therapie deutlich erhöhte Infektionsrisiko sollte dem Patienten bewusst sein. Bei Nichtansprechen muss eine chirurgische Resektion des betroffenen Areals vorgenommen werden. Eine Entfernung des gesamten Dickdarms ist dann mit der Anlage eines Anus praeter (künstlicher Darmausgang) verbunden. Die remissionserhaltende Langzeittherapie wird  mit 5-Aminosalicylaten wie Mesalazin für mindestens 2 Jahre durchgeführt. Bei einem erneuten Schub unter der remissionserhaltenden Therapie muss die nächste remissionserhaltende Therapie erweitert werden. Hier bieten sich eine Erhöhung der ursprünglichen 5-ASA-Dosis, eine Kombination mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin oder eine Kombination mit Infliximab bzw. Alemtuzumab an. Eine symptomatische Schmerztherapie ist jederzeit mit Metamizol oder auch gegebenenfalls mit Opioiden möglich.

Der oft lange Verlauf und die starken Nebenwirkungen der Arzneistoffe führen oft zu einer umfangreichen Begleitmedikation. Weiterhin muss bei starker Krankheitsaktivität an Mangelzustände bzw. Mangelerscheinungen gedacht werden. Besonderes Augenmerk verdienen bei rezidivierenden Durchfällen der Wasserhaushalt, Natrium und Kalium. Bei blutigen Durchfällen müssen die Eisenwerte kontrolliert werden. Dabei kann ein Ersatz durch Eisenpräparate wegen deren schleimhautreizender Wirkung schwierig sein. Folsäuremängel entstehen bei der Langzeitgabe von Sulfasalazin. Das Serum-Calcium und die Knochendichte sollten bei langer Glucocorticoidtherapie kontrolliert werden.



Multiple Sklerose

Azathioprin ist indiziert, wenn eine immunmodulatorische Therapie angezeigt ist und eine Therapie mit Beta-Interferon nicht möglich ist.

Die multiple Sklerose (= MS, Enzephalomyelitis disseminata) ist eine immunvermittelte chronisch-entzündliche Erkrankung der Markscheiden (= Myelinscheiden, = “weiße Substanz“) im ZNS. Dabei überwinden körpereigene aktivierte Abwehrzellen wie z. B. Lymphozyten die Blut-Hirn-Schranke und greifen die Markscheiden im Rahmen einer Autoimmunreaktion an. Es kommt zu Demyelinisierungen, die je nach Lokalisation zu neurologischen Symptomen führen. Mittlerweile weiß man, dass auch die graue Substanz (= Nervenzellen) im Verlauf einer MS angegriffen wird.

In Deutschland gibt es bei einer Inzidenz von 3,5-5 pro 100.000 Einwohner derzeit etwa 120.000 Erkrankte. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Der Erkrankungsgipfel liegt um das 30. Lebensjahr. Damit ist die multiple Sklerose die häufigste neurologische Erkrankung junger Erwachsener. Die Ursache der multiplen Sklerose ist nicht bekannt. Nichtsdestotrotz gibt es begünstigende Faktoren sowie zahlreiche Hypothesen zur Entstehung, von denen einige kurz genannt seien: Für die MS gibt es eine genetische Prädisposition. Bei eineiigen Zwillingen von MS-Patienten beträgt das Erkrankungsrisiko etwa 35 %. Bei Kaukasiern tritt sie häufiger auf als bei Afroamerikanern, so dass auch die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle spielt. Weiterhin werden zahlreiche virale und bakterielle Erkrankungen (z. B. Herpesviren wie Epstein-Barr und Humanes Herpesvirus 6 bzw. Chlamydien, Rickettsien und Spirochaeten wie Treponema) mit der Entstehung einer multiplen Sklerose in Zusammenhang gebracht. In großen Studien finden sich Hinweise, dass ein Vitamin-D-Mangel bzw. eine Störung im Vitamin-D-Stoffwechsel eine multiple Sklerose begünstigt. Sehr starke Hinweise gibt es auch für das Rauchen als prädisponierenden Faktor. Multiple Sklerose ist bislang nicht heilbar. Ziel aller therapeutischen Maßnahmen ist es, die Unabhängigkeit des Patienten im Alltag zu erhalten und die beste erreichbare Lebensqualität zu gewährleisten. Die bestehenden therapeutischen Möglichkeiten lassen sich in die Schubtherapie, die immunmodulierende Langzeittherapie und die Behandlung symptomatischer Beschwerden unterteilen. Ein Schwerpunkt liegt auch auf der Verhinderung von Komplikationen der MS, die beispielsweise infolge der Immobilität des Patienten auftreten können. Die Auswahl der therapeutischen Maßnahmen berücksichtigt immer den individuellen Fall des Patienten. Die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich bundesweit jährlich auf etwa 4 Milliarden Euro. Die Mortalität (= Sterblichkeit) ist erst bei höhergradiger Behinderung aufgrund direkter Folgen bzw. Komplikationen der Erkrankung erhöht.

Die multiple Sklerose wird in unterschiedliche Stadien und Verläufe eingeteilt:
  • Das klinisch isolierte Syndrom (KIS)
  • Schubförmige MS (= relapsing-remitting MS, RRMS)
  • Sekundär progrediente MS (SPMS)
  • Primär progrediente MS (PPMS)

Das klinisch isolierte Syndrom als Anfangsstadium kann, muss aber nicht vorkommen. Typische Frühsymptome einer MS sind Sensibilitätsstörungen, Gangunsicherheit bzw. eine belastungsabhängige Schwäche in den Beinen oder eine Optikus-Neuritis (= Entzündung des Sehnervs = 2. Hirnnerv) mit plötzlich auftretender Sehschwäche. Die Schwierigkeit der Diagnose MS beim KIS liegt darin begründet, dass die klassischen Kriterien der MS mit räumlicher und zeitlicher Dissemination (= Verteilung) von Entzündungsherden noch nicht bezüglich der zeitlichen Dissemination erfüllt sind und es passiert nicht selten, dass das KIS häufig als solches gar nicht erkannt wird. Trotz der Verbesserung von MRT-Techniken (MRT = Magnet-Resonanz-Tomographie) und mehrfacher Revision der Diagnose-Kriterien vergehen leider immer noch im Schnitt 3,4 Jahre bis zur Diagnosestellung MS.
Bei der schubförmigen MS kommt es zu wiederkehrenden akuten Schüben, deren Symptome sich nach ca. 6-8 Wochen wieder vollständig zurückbilden. Klinisch beginnt die MS bei über 80 % der Patienten mit einem schubförmigen Verlauf. Zur Orientierung sei angegeben, dass bei natürlichem, unbehandeltem Verlauf etwa 1,8 Schübe pro Jahr auftreten.
Eine schubförmig verlaufende MS geht unbehandelt bei mindestens 50 % der Patienten nach durchschnittlich 10 Jahren in eine sekundär progrediente Form über. Bei dieser Verlaufsform bilden sich die Symptome nach einem Schub nicht mehr vollständig zurück, so dass eine (Funktions-)Einschränkung bestehen bleibt, die sich im Verlauf -zum Teil auch unter weiter auftretenden akuten Schüben- weiter verschlechtert.
Ca. 10-15 % der Patienten haben eine primär progrediente Form der MS. Sie beginnt erst in einem höheren Lebensalter als die schubförmige MS. Männer sind bei dieser Form etwa gleich häufig betroffen wie Frauen. Bei dieser Form kommt es ohne einzelne Schübe zu langsam stetig fortschreitenden Behinderungen. Die in der Regel nur wenigen entzündlichen Veränderungen liegen bevorzugt im Rückenmark, so dass die im folgenden beschriebenen Symptome mehr das Gangbild und vegetative Störungen betreffen.

Die Symptomatik bei einer MS ist ausgesprochen vielgestaltig. Da die entzündlichen Läsionen überall in der weißen Substanz vorkommen können, sind sensorische, motorische, vegetative und psychische Symptome möglich, wobei zu Beginn der Erkrankung meist Sensibilitätsstörungen wie Missempfindungen (= Parästhesien), Taubheitsgefühle, Schmerzen und/oder Sehstörungen im Vordergrund stehen. Typisch motorische Störungen sind Lähmungen (= Paresen) der Extremitäten und eine abnorme Erhöhung des Muskeltonus im Sinne einer Spastik, die zu schweren Behinderungen im Alltag und eventueller Rollstuhlpflicht führen. Weitere spezielle motorische Symptome sind eine Ataxie (= Störung der Bewegungskoordination), Tremor, Sprechstörungen (= Dysarthrie), Schluckstörungen (= Dysphagie) oder ein Nystagmus (= Störung der Augenbewegung). Auch zentrale Funktionsstörungen werden bei der MS häufig angetroffen. Ein sehr großes Problem stellt die bei ca. 80 % der MS-Patienten anzutreffende gesteigerte körperliche und geistige Ermüdbarkeit (= Fatigue) dar. Weiterhin können Konzentrationsstörungen, aber auch eine Demenz auftreten. Im Verlauf kann es auch zu psychischen Störungen wie Depressionen und Wesensverändungen kommen. Häufige vegetative Störungen sind gegebenenfalls symptomatisch zu behandelnde Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen sowie Sexualfunktionsstörungen.

Für die Diagnostik einer MS sind die Anamnese, bei der nach früher stattgefundenen neurologischen Ereignissen geforscht werden soll, und die Objektivierung der aktuell vorliegenden neurologischen Symptome wichtig. Ein Schub wird definiert als ein neues bzw. wieder auftretendes neurologisches Symptom, das vom Patienten berichtet oder durch eine Untersuchung objektiv feststellbar ist. Dabei muss es mindestens 24 Stunden anhalten, mit einem Zeitabstand von mindestens 30 Tagen zu einem vorausgegangenen Schub auftreten und darf nicht im Zusammenhang mit einer gleichzeitig bestehenden Erhöhung der Körpertemperatur (= Uhthoff-Phänomen) bzw. im Rahmen einer anderen Infektion auftreten. Diese Definition des MS-Schubs ist wichtig, weil sich nach der Anzahl der Schübe die verlaufsmodifizierende Therapie richtet und der Therapieerfolg beurteilt wird. Die Diagnose MS nach/bei einem Schub stützt sich auf den klinischen Nachweis der zeitlichen und örtlichen Dissemination von Läsionen im ZNS, die sich durch keine andere Erkrankung besser erklären lassen als durch eine MS. Um für eine eventuelle Therapie die Diagnose möglichst frühzeitig stellen zu können, hat man die sog. McDonald-Kriterien aufgestellt. In diesen Kriterien werden die klinischen Befunde aus der Lumbalpunktion, visuell evozierten Potentialen (VEP) und dem MRT eingeordnet. Wegen der deutlich verbesserten Bildgebungsverfahren, wird dem MRT heute der höchste Stellenwert eingeräumt. Der Liquor wird besonders hinsichtlich Zellzahl (erhöht bei MS), Antikörper gegen Viren (Masern, Röteln, Herpes Zoster) und Bakterien (Borrelien) und den enthaltenen Immunglobulinen untersucht. Hinweisend auf eine MS sind sog. „oligoklonale IgG-Banden“, die sich nicht im Blut finden und auf eine spezifische Entzündung im ZNS deuten (IgG = Immunglobulin G). Bei den visuell evozierten Potentialen werden durch visuelle Stimulation der Netzhaut (z. B. durch ein wechselndes Schachbrettmuster) Potentialunterschiede auf der Netzhaut gemessen, deren Amplitude und Latenz bei einer Schädigung der Leitungsbahnen (Axone) verändert ist. Wie schon erwähnt ist heutzutage das MRT die wichtigste Untersuchung bei der MS-Diagnostik. Hierbei können Läsionen im ZNS mittels Gadolinium-haltiger Kontrastmittel direkt bildlich dargestellt werden. Durch unterschiedliche Darstellungsmethoden im MRT kann zwischen T1- und T2-Läsionen unterschieden werden. Dabei sind T1-Läsionen akute, Gadolinium-haltige Entzündungsherde (im MRT dunkel dargestellt) und T2-Läsionen chronische Entzündungsherde (im MRT hell dargestellt).  Für die Diagnose sind besonders die Anzahl und das neue Auftreten von T2-Läsionen wichtig, weil erst dadurch die zeitliche Dissemination von Läsionen belegt werden kann. Charakteristische T2-Läsionen bei MS liegen besonders periventrikulär (= um die Hirnventrikel), juxtakortikal (= unmittelbar bei der Hirnrinde), infratentoriell (= unterhalb einer Furche zwischen Großhirn und Kleinhirn) oder im Rückenmark.
Bei gesicherter Diagnose sollte der Verlauf der MS regelmäßig beurteilt werden. Hierfür hat sich eine Leistungsscala, der Expanded Disability Status Scale (EDSS), zur Beurteilung der verschiedenen funktionellen Systeme (FS) bewährt. Die folgenden Systeme werden untersucht und das Ergebnis als Grad der Leistungseinschränkung (Grad 0 = keine Behinderung, Grad 10 = Tod) angegeben:        
  • Pyramidenbahnen: z. B. Lähmungen als Hinweis für eine Schädigung
  • Kleinhirn: z. B. Ataxie und Tremor als Hinweis
  • Hirnstamm: z. B. Sprach- und Schluckstörungen als Hinweis
  • Sensorik: z. B. Verminderung des Tastsinns als Hinweis
  • Blasen- und Mastdarmfunktion: z. B. Harn- und Stuhlinkontinenz
  • Sehfunktion: z. B. Gesichtsfeldausfälle oder Skotome (= blinde Bereiche) als Hinweis
  • Zerebrale Funktionen: z. B. Wesensveränderung oder Demenz als Hinweis

Zu den oben genannten Untersuchungen werden weitere Tests im Rahmen des sog. „Multiple Sclerosis Functional Composite Scale“ (MSFC) durchgeführt, um die verschiedenen funktionellen Systeme (FS) zu beurteilen. Besonders herausgehoben sei hier die Gehstrecke nach Zeit („timed 25 foot walk“ = 7,5 m), ein Steckbrett-Test („9 hole-peg test“), bei dem zur Beurteilung der Armfunktion kleine Hölzchen selbständig in kleine Löcher gesteckt werden müssen, und ein Aufmerksamkeit-Konzentrationstest („Paced Auditory Serial Addition Test“ = PASAT), bei dem der Untersucher alle drei Sekunden Zahlen vorgibt und der Untersuchte die beiden jeweils letztgenannten Zahlen addieren und laut ansagen soll.

Die Therapie der MS unterscheidet sich je nach Stadium bzw. Verlauf. Hinzu kommt eine je nach Situation erforderliche symptomatische Therapie. Die Therapien zeigen nur bei schubförmigen Verlauf eine eindeutige Wirksamkeit, so dass es für die primär progrediente MS (PPMS) keine Therapieempfehlung gibt. Arzneistoffe sind für diese Form der MS bisher nicht zugelassen. Für alle anderen Stadien und Verläufe gilt, dass jederzeit ein akuter Schub auftreten kann, der separat behandelt wird. Auch das klinisch isolierte Syndrom wird zunächst als akuter Schub einer MS behandelt.


Therapie der schubförmigen MS (RRMS)

Bei der schubförmigen MS unterscheidet man noch einmal in eine moderat verlaufende und in eine hochaktive Form:
Für die moderat verlaufende Form wird eine Basistherapie mit Beta-Interferonen (β1a und β1b) oder Glatirameracetat bzw. eine orale Basistherapie mit den erst kürzlich für die MS zugelassenen Arzneistoffen Teriflunomid oder Dimethylfumarat durchgeführt:
  • Die immunmodulierende Wirkung der Betaferone beinhaltet eine Suppression proinflammatorischer Ereignisse (z. B. Adhäsionsmoleküle und Zytokine wie Interleukin-2 bzw. TNF-α), eine Suppression der Th17-vermittelten Entzündungsreaktion und eine Regulation von phagozytierenden Zellen in Entzündungsherden. Die häufigen grippeähnlichen Nebenwirkungen wie Fieber, Schüttelfrost und Myalgien werden durch eine einschleichende Dosierung gemildert und können prophylaktisch eine halbe Stunde vor subcutaner Injektion mit Paracetamol (500-1000 mg) oder Ibuprofen (400-800 mg) behandelt werden. Ein weiteres wichtiges Problem bei der Therapie mit Interferonen ist das Auftreten von neutralisierenden Antikörpern (NAB), die die Wirksamkeit der Interferone herabsetzen. Bei Therapieversagen und Nachweis von hochtitrigen Antikörpern muss auf ein anderes Therapiekonzept umgestellt werden. Das seit 2001 in der EU zugelassene Polypeptid Glatirameracetat wird in einer Dosierung von 20 mg täglich subcutan appliziert. Es besteht aus den vier wichtigsten Aminosäuren des basischen Myelinproteins (Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin = „GLAT“). Es bewirkt eine Verschiebung von TH1-Helferzellen zu TH2-Helferzellen, die die Blut-Hirn-Schranke passieren können und zu einer vermehrten Bildung antientzündlicher Zytokine wie Interleukin 4, 6 und 10 führen. Weiterhin kommt es zu einer Erhöhung der bei MS-Patienten erniedrigten T-Suppressorzellen (=CD8-Zellen).
  • 2013 wurde Teriflunomid in einer Dosis von 14 mg/d als erstes oral anzuwendendes Basistherapeutikum bei der schubförmigen MS zugelassen. Es hemmt selektiv und reversibel die mitochondriale Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH). Dadurch wird die De-novo-Synthese von Pyrimidin verhindert, so dass aktivierte B- und T-Lymphozyten nicht proliferieren und in das Entzündungsgeschehen eingreifen können.
  • Im Jahr 2014 kam dann das zweite oral anzuwendende Basistherapeutikum Dimethylfumarat für die Therapie der schubförmigen MS auf den Markt. In einer Dosierung von 2 x 240 mg/d aktiviert Dimethylfumarat immunmodulatorisch den körpereigenen Nuclear factor (erythroid-derived 2)-like 2 (= Nrf2). Dieser Transkriptionsfaktor soll Zellen vor potenziell schädlichen Einflüssen wie Entzündungen oder oxidativen Stress schützen.
  • Schließlich ist das Immunsuppressivum Azathioprin für die Therapie der schubförmigen MS zugelassen, sofern eine Therapie mit Beta-Interferonen nicht möglich ist und unter Azathioprin ein stabiler Verlauf erreicht wurde.

Wird unter einer oben angeführten Basistherapien keine Schubfreiheit bzw. deutliche Reduktion der MS-Schübe erreicht, sollte frühzeitig eine Umstellung auf aktive Immuntherapeutika erfolgen. Für die Eskalationstherapie bei hochaktiver schubförmiger MS sind Alemtuzumab, Fingolimod, Natalizumab und Mitoxantron zugelassen, wobei Mitoxantron Mittel der zweiten Wahl ist.
  • Alemtuzumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das Oberflächen-Antigen CD52, das in hohen Konzentrationen auf T-Lymphozyten (CD3+) und B-Lymphozyten (CD19+) und in niedrigen Konzentrationen auf natürlichen Killerzellen, Monozyten und Makrophagen vorkommt. Nach Bindung des Antikörpers wird eine Zytolyse der genannten Zellen eingeleitet. Alemtuzumab wird in jährlichen Behandlungsphasen an 5 bzw. 3 aufeinanderfolgenden Tagen intravenös verabreicht.
  • Fingolimod wurde 2011 in einer Dosierung von 1x täglich 0,5 mg oral für die hochaktive schubförmige MS zugelassen. Fingolimod ist ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator. Nach Bindung an den Sphingosin-1-Rezeptor auf Lymphozyten verhindert es die Migration der Lymphozyten aus den Lymphknoten und so deren Abwanderung über die Blut-Hirn-Schranke zu den Entzündungsherden im ZNS. Für Fingolimod gibt es eine Reihe von zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen. Insbesondere muss auf eine schwere Bradykardie zu Beginn der Behandlung geachtet werden.
  • Natalizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das α4β1-Integrin, der alle 4 Wochen in einer Dosis von 300 mg intravenos appliziert wird. Integrine sind Adhäsionsmoleküle, mit deren Hilfe Leukozyten am Endothel andocken können, um anschießend die Gefäßwand bzw. Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Durch Blockade des Integrins wird ein Austritt aus den Gefäßen zu den Entzündungsherden im ZNS blockiert. Für Natalizumab existieren eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung bzw. Verringerung des Risikos einer Progressiv Multifokalen Leukenzephalopathie (PML). Auch eine Anwendung über 2 Jahre hinaus bedarf einer sorgfältigen Abwägung der Alternativen.
  • Mitoxantron ist für die Therapie von nicht rollstuhlgebundenen (EDSS 3–6 inklusive) MS-Patienten bei Versagen oder Unverträglichkeit einer immunmodulatorischen Vortherapie zugelassen (Eskalationstherapie). Es wird bei Patienten mit progressiv schubförmiger Verlaufsform und anhaltender Krankheitsaktivität eingesetzt, d. h. es gab mindestens 2 Schübe oder eine EDSS-Verschlechterung um mindestens einen Punkt innerhalb der letzten 18 Monate. Mitoxantron ist ein starkes, unselektives Immunsuppressivum, das durch Interkalation die DNA- und RNA-Synthese behindert. Dieses führt zu einer Verminderung von entzündungsspezifischen Zytokinen durch CD4-Zellen, zu einer verminderten Antikörper-Produktion durch B-Lymphozyten und zu einer Abnahme der Myelinschädigung durch Makrophagen. Die Dosis beträgt 12 mg /m2 i.v. alle 3 Monate. Insbesondere wegen der kardiotoxischen Wirkung beträgt die kumulative Gesamtdosis pro Lebenszeit 140 mg/m2.



Myasthenia gravis

Bei der Myasthenia gravis handelt es sich um eine neuromuskluäre Autoimmunerkrankung, bei der Antikörper gegen den nikotinischen Acetylcholinrezeptor der neuromuskulären Endplatte gebildet werden. Damit ist klar, dass bei der Erkrankung nur die quergestreifte Muskulatur betroffen ist.
Die damit einhergehende Störung ist bedingt durch eine gehemmte Neurotransmission zwischen Neuron und Muskel. Darüber hinaus kommt es zu einer strukturellen Veränderung der Synapse, welche die Transmission zusätzlich beeinflusst. Zwar kann die Erkrankung generalisiert, also am ganzen Körper auftreten, allerdings merkt der Patient die ersten Symptome vorrangig an den Augen. So kommt es zu einer Ermüdung der Augenlider, welche anfangen zu hängen (Ptosis), als auch zu einer Ermüdung der Augenmuskulatur, so dass die Augen nicht mehr synchron beweglich sind und der Patient Doppelbilder sieht.
Bei fortschreitender Erkrankung kann es zu einer Ermüdung/Lähmung aller quergestreiften Muskeln kommen, so dass diese Patienten durch eine Beeinträchtigung der Atemmuskulatur vital gefährdet sind.

Dosierung

1 mg bis 5 mg/kg Körpergewicht pro Tag peroral oder intravenös

Patientenhinweis

Die Einnahme sollte mit einer Mahlzeit und mit reichlich Flüssigkeit (mind. 200 ml) erfolgen.
Strenge Überwachung des Blutbildes.
Bei Infektionen, unerklärlichen blauen Flecken oder Blutungen sollte unverzüglich der behandelnde Arzt informiert werden.
Liegt eine genetisch bedingte verminderte Aktivität der Thiopurin-Methyltransferase (TPMT) vor, muss eine niedrigere Dosis eingesetzt werden.
Vorsicht vor Varizella-Zoster-Infektionen (Herpes zoster oder Windpocken)!
Während und bis 6 Monate nach der Behandlung sollte zuverlässig verhütet werden.

Nebenwirkungen

  Immunsuppressive Nebenwirkungen (z. B. Infektionen)

Durch die Unterdrückung des Immunsystems kann es sehr häufig zu Infektionen bakterieller, mykotischer als auch viraler Art kommen. Unter den gegebenen Bedingungen kann es auch durch opportunistische Keime zu Infektionen mit tödlichem Verlauf kommen.
Während Immunsuppressiva gegeben werden, sollten keine Impfungen mit Lebendimpfstoffen erfolgen. Andere Impfungen können durchgeführt werden. Es ist nur damit zu rechnen, dass die Immunantwort schwächer als gewöhnlich ausfällt.

  Störungen des Blutbildes

Sehr häufig tritt als Nebenwirkung eine Leukopenie auf, häufig außerdem eine Thrombozytopenie. Glegentlich kann es zu einer Anämie kommen und in seltenen Fällen wird eine Agranulozytose oder eine Panzytopenie beobachtet.

Das Hämogramm (Blutbild) stellt die Menge der in einer Blutprobe vorhandenen Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen), Thrombozyten (Blutplättchen) und Retikulozyten (polymorphkernige Blutkörperchen) nebeneinander dar. Beim Differentialblutbild werden sowohl quantitative als auch qualitative Parameter, wie z. B. die Form, mit herangezogen. Neben pathologischen Veränderungen können Abweichungen von den Normwerten auch durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen bedingt sein. Auftreten können u. a.:
  • Leukopenie: Die Gesamtzahl aller Leukozyten (Granulozyten, Lymphozyten, Monozyten) im Blut ist auf unter 5.000/mm³ reduziert.
  • Leukozytose: Die Gesamtzahl aller Leukozyten im Blut ist über 10.000/mm³ erhöht.
  • Granulozytopenie: Verminderung der Anzahl der Leukozyten, insbesondere der neutrophilen Granulozyten.
  • Agranulozytose (perniziöse Neutropenie): Verminderung der Anzahl der Leukozyten (Leukopenie), die Granulozyten können komplett fehlen. Auch die Blutplättchen und das Knochenmark können betroffen sein. Eine Agranulozytose kann sich innerhalb von Stunden ausbilden und geht üblicherweise mit grippeähnlichen Symptomen einher, bei deren Auftreten der Patient darüber aufgeklärt sein muss, dass umgehend eine ärztliche Konsultation erfolgen sollte. Es wird symptomatisch therapiert; Breitbandantibiotika und Granulozyten-Koloniestimulierende Faktoren, wie Filgrastim, werden häufig in der Therapie verabreicht.
  • Eosinophilie: Erhöhung der Anzahl der eosinophilen Granulozyten im Blut. Bei allergischen Reaktionen wie dem Arzneimittelexanthem tritt dies zum Beispiel auf.
  • Thrombozytopenie: Verminderung der Anzahl der Thrombozyten unter 150.000/mm³. Durch den Mangel an Thrombozyten ist die Blutgerinnung gestört und es treten vermehrt Hämatome oder Blutungen auf.
  • Aplastische Anämie: Die Gesamtzahl aller Zellen im Blut ist reduziert (Panzytopenie). Ursache ist eine gestörte Stammzellreifung im Knochenmark.
Grundsätzlich stellen Blutbildveränderungen ernste bis lebensbedrohliche unerwünschte Wirkungen dar, die einer weitergehenden ärztlichen Abklärung bzw. Behandlung bedürfen.

  Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen

Zur Verminderung von Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen sollten die Tabletten zu oder nach einer Mahlzeit eingenommen werden.

  Überempfindlichkeitsreaktionen

Es kann unter anderem zu Unwohlsein, Schwindel, Fieber, Schüttelfrost, Hautausschlag und Hypotonie kommen. Eine Überempfindlichkeitsreaktion kann sich auch als Myalgie (Muskelschmerzen), Arthralgie (Gelenkschmerzen), renale Dysfunktion, Leberfunktionsstörung und Choestase äußern.
In sehr seltenen Fällen kann es auch zu Überempfindlichkeitsreaktionen mit letalem Ausgang kommen.

  Leber- und Gallenerkrankungen

Gelegentlich kommt es zu Cholestase (Stau der Gallenflüssigkeit) oder einer Verschlechterung der Leberwerte. In seltenen Fällen kann es zu lebensbedrohlichen Leberschäden kommen.

  Pankreatitis

  Gut- und bösartige Tumore

Bei der Langzeittherapie kann es zu lymphoproliferativen Störungen und malignen Tumoren, besonders der Haut, kommen.  

Kontraindikationen

Impfung mit Lebendimpfstoffen

Eine Anwendung von Lebendimpfstoffen ist kontraindiziert. Bei Impfstoffen aus abgetöteten Erregern oder Toxoiden ist eine verminderte Immunantwort zu erwarten.

Infektionen mit Varicella-Zoster-Viren

Infektionen mit Varicella-Zoster-Viren, den Erregern der Windpocken und der Gürtelrose, können unter der Therapie mit Azathioprin einen schwerwiegenden Verlauf nehmen.

Schwere Infektionen

Da die Substanz das Immunsystem schwächt, muss sie bei unkontrollierbaren Infektionen ggf. abgesetzt werden.
Diese Kontraindikation gilt nicht für die Prophylaxe der Transplantat-Abstoßung, da hierfür eine gesonderte Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen muss.

Schwere Störungen der Leber- oder Knochenmarkfunktion

Da die Substanz selber schädigend auf Leber und Knochenmark wirken kann, sollte sie bei bestehenden Schäden nicht eingesetzt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Die Substanz sollte nur nach strenger Indikationsstellung in der Schwangerschaft appliziert werden, da es zu Schädigungen des ungeborenen Kindes kommen kann.
Im Tierversuch haben sich Missbildungen gezeigt.  

Die Substanz geht in die Muttermilch über. Je nach Dosis, Art der Anwendung und Dauer der Medikation kann es zu ernsthaften Schädigungen des Säuglings kommen.

Wechselwirkungen

  Immunsuppressiva, z. B. Ciclosporin

Häufig wird Ciclosporin mit anderen Immunsuppressiva kombiniert. Zu beachten ist dabei, dass neben der Wirkung auch die Infektanfälligkeit und die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen maligner Lymphome steigt.

Immunsuppressiva, z. B. Ciclosporin anzeigen

  Xanthinoxidase-Inhibitoren

6-Mercaptopurin (6-MP, ein Metabolit des Azathioprins) wird durch die Xanthinoxidase zur inaktiven Thioharnsäure metabolisiert. Werden gleichzeitig mit Azathioprin Xanthinoxidase-Inhibitoren angewendet, so muss die Azathioprin-Dosis auf ein Viertel gesenkt werden.

Zu Allopurinol wechseln

  Neuromuskulär blockierende Mittel

Azathioprin wirkt gegenüber nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien wie z. B. Curare antagonistisch.

  Vitamin-K-Antagonisten


Vitamin-K-Antagonisten anzeigen

  Myelosuppressive Mittel, z. B. Zytostatika

Durch die gleichzeitige Anwendung kann das Risiko für eine Knochenmarkdepression erhöht werden.

Myelosuppressive Mittel, z. B. Zytostatika anzeigen

  Aminosalicylsäurederivate

Durch die gleichzeitige Anwendung kann das Risiko für eine Knochenmarkdepression erhöht werden.

Aminosalicylsäurederivate anzeigen

  Impfstoffe

Eine Anwendung von Lebendimpfstoffen ist kontraindiziert. Bei Impfstoffen aus abgetöteten Erregern oder Toxoiden ist eine verminderte Immunantwort zu erwarten.

Strukturformel

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Wirkmechanismus

Azathioprin ist ein Derivat des 6-Mercaptopurins (6-MP). Es wird häufig zusammen mit anderen immunmodulierenden Substanzen, bes. Glucocorticoiden, eingesetzt.
Im Körper wird die Substanz schnell in 1-Methyl-4-nitro-5-thioimidazol und 6-MP gespalten. 6-MP gelangt leicht durch Zellmembranen und wird intrazellulär zu Purin-Thio-Analoga umgewandelt, wobei als wichtigster Vertreter das Nucleotid Thioinosinsäure entsteht.
Wie es dann zur klinischen Wirkung kommt, ist noch nicht völlig aufgeklärt. Es wird aber angenommen, dass 6-MP als Purin-Antimetabolit wirkt und einige Schritte der Nucleinsäuresynthese hemmt. So wird auch die Replikation der DNA durch den Einbau von Purin-Thio-Analoga gehemmt. Auch scheint die Alkylierung von SH-Gruppen von Bedeutung zu sein.
Durch die beschriebenen Mechanismen kommt es zu einer Proliferations- und Aktivitätshemmung von Immunzellen (B- und T-Lymphozyten) und somit zur Immunsuppression. Es wurde auch beobachtet, dass Azathioprin die Apoptose von T-Zellen beeinflusst und somit pathogene T-Gedächtniszellen eliminiert werden können.
Da die hemmende Wirkung nicht auf Immunzellen beschränkt ist, kommt es durch die Substanz auch zu einer Hemmung von z. B. Knochenmarkszellen.

Das hauptsächlich für die Metabolisierung von 6-Mercaptopurin verantwortliche Enzym ist die polymorphe Thiopurinmethyltransferase. Ebenfalls ist die Xanthinoxidase an der Biotransformation beteiligt, weshalb besondere Vorsicht bei einer gleichzeitigen Therapie mit Xanthinoxidasehemmern wie z. B. Allopurinol z. B. im Rahmen einer Tumorerkrankung geboten ist.
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Patientenhinweis

Während der ersten 8 Wochen sollte mindestens wöchentlich ein Blutbild angefertigt werden. Bestehen zusätzliche Risikofaktoren, so sollte dieses noch häufiger erfolgen.
Nach den ersten 8 Wochen kann die Häufigkeit der Blutbildkontrolle auf 1 x alle 1-3 Monate verringert werden.
Infektionen, unerklärliche blaue Flecken oder Blutungen können Hinweise auf eine Knochenmarkssuppression sein.
TPMT ist für den Abbau von Azathioprin wichtig. Ist die Aktivität dieses Enzyms vermindert (bei ca. 10 % der Patienten), so ist das Risiko für myelotoxische Reaktionen erhöht.
Infektionen mit Varicella-Zoster-Viren können unter der Therapie mit Azathioprin einen schwerwiegenden Verlauf nehmen.
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Dosierung

Je nach Indikation ist die Dosierung unterschiedlich. Allen Indikationen ist gemein, dass die Anwendung über Monate bis Jahre stattfinden muss.
  • Nach Organtransplantationen: Initial täglich bis 5 mg/kg KG (Körpergewicht). Als Erhaltungsdosis täglich 1-4 mg/kg KG.
  • Multiple Sklerose: Täglich 2-3 mg/kg KG
  • Myasthenia gravis: Täglich 2-3 mg/kg KG
  • Sonstige Indikationen: Initial täglich 1-3 mg/kg KG. Als Erhaltungsdosis <1-3 mg/kg KG.
Die Einnahme sollte mit einer Mahlzeit und mit reichlich Flüssigkeit (mind. 200 ml) erfolgen.

Nur für den Fall, dass die orale Gabe nicht möglich ist, sollte auf die parenterale Applikationsroute ausgewichen werden. Zur Vermeidung von Gewebsschäden ist dabei auf eine streng intravenöse Gabe zu achten. Diese sollte als verdünnte Infusion erfolgen, da die im Handel befindliche Lösung zur parenteralen Anwendung stark reizend und alkalisch ist. Für den Umgang mit der Arzneistofflösung sollten folgende Punkte beachtet werden:
  • Die i.v.-Lösung ist konservierungsmittelfrei, das Verdünnen sollte daher möglichst kurz vor der Applikation unter aseptischen Bedingungen erfolgen.
  • Wegen des alkalischen pH-Wertes sollten Handschuhe, Kittel und Schutzbrille getragen werden.

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