Topiramat ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren mit fokalen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung und primer generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.
Zusätzlich ist Topiramat indiziert zur Behandlung von Patienten ab 2 Jahren mit fokalen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung, primer generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und mit Anfällen, die mit dem Lennox-Gastaut Syndrom assoziiert sind.
Das Lennox-Gastaut Syndrom beruht auf einer hirnorganischen Störung. Es beschreibt eine Form der Epilepsie mit häufigen Anfällen verschiedener Typen, die meist im Alter zwischen 2 und 6 Jahren auftritt.
Unter einem epileptischen Anfall versteht man das vorrübergehende Auftreten von objektiven und/oder subjektiven Zeichen einer exzessiven oder synchronisierten Hirnaktivität, die auf einer gesteigerten Erregbarkeit zentraler Neurone beruht. Hierdurch wird die Krampfschwelle des Gehirns oder der betroffenen Hirnareale gesenkt. Dies kann sich sowohl in motorischen Symptomen wie tonischen und/oder klonischen Krämpfen, Zuckungen oder Stereotypien als auch in Bewusstseinsveränderungen bis hin zur Bewusstlosigkeit oder in seltenen Fällen auch bis zum Tode führen (SUDEP = sudden unexpected death in epilepsie). Zu Beginn eines epileptischen Anfalls kommt es durch Schrittmacherzellen initiiert zu starken, synchronen Entladungen, sodass eine Dysbalance zwischen erregenden und hemmenden Prozessen im Hirn entsteht, welches sich über benachbarte Regionen fortsetzt und somit zum Anfall führt.
Die Prävalenz für Epilepsie liegt in Deutschland bei etwa 0,05 %, so dass es derzeit etwa 500.000 bis 600.000 Betroffene gibt. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen, aber die Inzidenz für das Auftreten von Anfällen ist im frühen Kindesalter und jenseits des 65. Lebensjahres deutlich erhöht (U-förmiger Verlauf).
Man nimmt in der Anfallsklassifikation eine Unterscheidung zwischen fokalem Beginn (in einer Hirnhemisphäre) oder generalisiertem Beginn (in Netzwerkstrukturen beider Hirnhemisphären) vor. Beim fokalen Beginn wird wiederum zwischen dem bewusst erlebten und dem nicht bewusst erlebten Anfall unterschieden. Ein fokal beginnender Anfall kann sich im Verlauf auf beide Hirnhälften ausbreiten und in bilateral tonisch-klonische Anfälle übergehen. Diese werden aber trotzdem weiterhin als fokale Anfälle bezeichnet. Bei beiden Anfallsarten unterscheidet man weiterhin zwischen motorischem Beginn und nichtmotorischem Beginn. Wenn der erste Anfall unbeobachtet war oder der Patient sich nicht daran erinnern kann, spricht man von unbekanntem Beginn.
Die Ursachen für eine Epilepsie sind recht vielfältig. Sie können strukturell, genetisch, infektiös, metabolisch, immunvermittelt oder unbekannt sein.
Therapieziel ist eine Anfallsfreiheit oder bestmögliche Anfallskontrolle bei minimalen unerwünschten Wirkungen. Mit Hilfe der Pharmakotherapie kann eine Anfallsfreiheit bei zwei Drittel der Patienten erreicht werden. Bei der eingesetzten Arzneimittelgruppe spricht man heutzutage nicht mehr von Antiepileptikum oder Antikonvulsivum, sondern von Anfallssuppressivum.
Patienten, bei denen man mit zwei Anfallssuppressiva in ausreichend hoher Dosierung keine Anfallsfreiheit erreicht, gelten als pharmakoresistent. In solchen Fällen kann die Entfernung des Anfallsfokus durch Resektion, Diskonnektion oder Laserablation erwogen werden. Sie ist bei etwa 60 % der Patienten erfolgreich. Führen auch diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Therapieerfolg, besteht die Möglichkeit eine Neurostimulation (Vagusnervstimulation, Tiefe Hirnstimulation oder transkranielle Gleichstromstimulation) durchzuführen oder ketogene Diäten zu testen. Beide Optionen führen jedoch nicht zur Anfallsfreiheit, sondern können nur die Anzahl und Schwere der Anfälle reduzieren.
Bei an Epilepsie erkrankten Personen kommen psychiatrische Erkrankungen als Komorbiditäten 2-5mal häufiger vor als in der allgemeinen Bevölkerung und gehen oft mit kognitiven Einbußen einher, die auch erst durch die Anfallssuppressiva ausgelöst werden können. Bei der Auswahl der eingesetzten Medikamente sollten Komorbiditäten eingezogen werden.
Pharmakotherapie
Fokale Anfälle:
Mittel der Wahl ist Lamotrigin als Monotherapie. Kommt Lamotrigin nicht in Frage, kann Lacosamid oder Levetirazetam eingesetzt werden. Wenn auch diese Medikamente ungeeignet sind, kann als Monotherapie der Einsatz von Eslicarbazepin, Oxcarbazepin (retardiert) oder Zonisamid erwogen werden.
Genetisch generalisierte Epilepsie:
Für Männer und Frauen, bei denen eine Konzeption ausgeschlossen werden kann, ist Valproinsäure Mittel der Wahl. Danach können Lamotrigin oder Levetirazetam zum Einsatz kommen. Ethosuximid ist Mittel der Wahl, wenn ausschließlich Absencen vorkommen und bei Frauen eine Konzeption ausgeschlossen werden kann.
Unklassifizierte Epilepsie:
Mittel der ersten Wahl sind Lamotrigin und Levetirazetam sowie Valproinsäure (wenn eine Konzeption ausgeschlossen werden kann).
Frauen, bei denen eine Konzeption nicht ausgeschlossen werden kann, sollten nach Möglichkeit nur monotherapeutisch und in der niedrigsten möglichen Dosierung therapiert werden. Wenn Lamotrigin und Levetirazetam als Mittel der Wahl nicht in Frage kommen, kann Oxcarbazepin eingesetzt werden. Wenn auch das nicht in Frage kommt, stehen noch Eslicarbazepinacetat, Lacosamid oder Zonisamid zur Verfügung. Wenn Valproinsäure eingesetzt werden muss, weil andere therapeutische Maßnahmen nicht zielführend sind, darf es aufgrund der teratogenen Eigenschaften bis maximal 650 mg und am besten verteilt auf 3-4 Einzelgaben zum Einsatz kommen.
Da es sich bei der Epilepsie um eine chronische Erkrankung mit erheblichen sozioökonomischen und psychosozialen Auswirkungen handelt, die sich auf alle Lebensbereiche auswirkt und Gefahren und Risiken in Freizeit und Beruf mit sich bringt, ist es schwer den Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Um so wichtiger ist eine multiprofessionelle Therapieentscheidung, bei der der Patient und seine Lebensumstände unbedingt eingebunden werden sollten.